Wenn der Abteilungsleiter von "Religion und Bildung" beim WDR Köln einen Roman über den gläubigen Kardinal schreibt, dann kann er nur den einen meinen. Und so ist es auch.
Die Geschichte ist ganz einfach: der erfahrene Pfarrer Wilhelm Hausner von St. Kilian verlor just am Ostersonntag seinen Glauben und wurde deshalb vom Kardinal gefeuert. Doch die Gemeinde, die Kilianer, hielten zu ihrem Pfarrer; denn der war beliebt, und eigentlich lebte dieser mehr denn andere nach dem Evangelium.Was er verloren hatte, war nicht der Glaube, sondern das, was im allgemeinen Kirchenbetrieb für Glauben gehalten wird: das hochwürdige Gehabe, die Gebote und Verbote, die Konventionen und den Gehorsam gegenüber allem, was von oben kommt. Die Gemeinde Hausners hat jedoch ein untrügliches Gespür für Glauben und Unglauben und erklärt kurzerhand das Generavikariat samt Kardinal zum Missionsgebiet und demonstriert mit friedlichen Mahnwachen vor dem hohen Haus. Das Ziel ist die Bekehrung des Kardinals und seiner Ergebenen in seiner Umgebung.
Der Reiz des Buches liegt in der Treffsicherheit der Sprache. Harbecke beschreibt den Kardinal, sein Machtgehabe, seine Art, mit Menschen umzugehen bzw. sie fertig zu machen, so lebensecht, dass man unwillkürlich sagt: so ist er. In den Personen, die in der Nähe des Kardinals Schlüsselpositionen innehaben, erkennt man Zeitgenossen wieder, ebenso in anderen Romanfiguren, wo der Name gegenüber lebenden Personen kaum verändert wurde. Ein Beispiel: "Dann übergab Eickel das Wort an Prof. Eberhard Dreiermann. Der weltbekannte Theologe durfte nicht fehlen, wenn es darum ging, der fossilen Amtskirche fossiles Verhalten zu bescheinigen. Er selbst hatte sich vor Jahren mit scharfsichtigen Analysen über die neurotisierende Wirkung des Zölibats zu weit vorgewagt. Man hatte ihm - in neurotischem Übereifer - die Lehrerlaubnis entzogen und verboten, sein Priesteramt auszuüben, worauf sich sofort eine riesige Hörer- und Lesergemeinde bildete, die ihn schon bald zu ihrem Hohenpriester erkor" (S. 26 f.). Dieser Teil des Buches (es ist etwas mehr als die Hälfte) ist der amüsantere.
Dann setzt die Wende ein: den Kardinal ereilt die Bekehrung, an der die Kilianer und natürlich der Heilige Geist gemeinsam gearbeitet haben. Ausgerechnet am Pfingstfest geschieht dem Kardinal, was am Osterfest Pfarrer Hausner passiert war: er verliert seinen Glauben bzw. das, was er bisher dafür gehalten hatte. Jetzt ist Regieren nicht mehr wichtig; stattdessen geht der Kardinal den Menschen nach, die er vorher vor den Kopf gestoßen hatte und findet für jeden verständnisvolle Worte, manchmal sogar Entschuldigungen. "Ich habe sie alle aufgesucht, meine ehemaligen Priester, die unter der Last der Kirche zusammengebrochen waren, weil die Kirche sie nicht tragen wollte, die Verheirateten, die Schwulen, die Enttäuschten, die Erloschenen. Für alle habe ich einen Weg gefunden. Nein. Sie haben ihn gefunden. Ich mußte nur die Türen öffnen" (S. 205). Am Ende erreicht auch den Kardinal die Suspendierung aus Rom. Aber die Menschen sind seine Freunde geworden.
Der Roman zeichnet ein Bild der lokalen Kirche, wie sie ist und wie sie sein oder werden könnte. Wer das Buch liest, wird seine Freude haben an der Sprache und auch an der Ironie, die manches beschwichtigt; Freude aber auch an dem Optimismus, dass der Heilige Geist und die wackeren Kilianer doch noch etwas verändern können.
Autor(en): Harbecke, Ulrich Titel: Der gläubige Kardinal (Roman) Verlag: Grupello ISBN Nr. 3-89978-027-2 |