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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Vaterunser  ›  „Dein Wille geschehe!“   Moderatoren: Weber
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„Dein Wille geschehe!“    Dieses Thema wurde bisher 1.961 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
16 Juli 2006, 16:08 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30

„Dein Wille geschehe!“  -  Ein Geschenk, doch niemals Zwang

Die Worte „Dein Wille geschehe!“ fehlen im Text des Lukas, passen aber sehr gut in die aramäische Rekonstruktion des Vaterunsers. Gehen sie auf Jesus zurück? Sicher ist auf jeden Fall, dass sie ein wesentliches Anliegen von ihm aussprechen (vgl. Mk 3,35). Aber sie berühren auch in jedem Betenden einen schmerzhaften Punkt:

Der Mensch zweifelt schnell an einen liebenden Gott, wenn er sich allen denkbaren Leiden ausgeliefert erfährt und hier anscheinend aufgefordert wird, dies als den Willen Gottes zu verstehen. Deshalb hat die christliche Tradition diese Bitte mit dem Motiv der Ergebenheit verknüpft: Im Vertrauen zu Gott soll der Betende auch das schwerste Schicksal als „Gottes Ratschluss“ annehmen lernen, auch wenn er es unerträglich findet. Ich sehe in diesem zweifellos frommen Gedanken eine menschliche Strategie, mit dem Problem des Leidens fertig zu werden, - aber nicht das, was Jesus für den Willen Gottes gehalten hat. Bei der Auseinandersetzung mit dieser Bitte kommt alles darauf an zu verstehen, was Jesus wirklich gemeint und was er nicht gemeint hat.

... nicht Willkür eines Herrschers

Jesus verglich den Willen Gottes niemals mit der Laune eines orientalischen Despoten, den man nicht durchschaut und der jemanden wie aus heiterem Himmel kalt erwischt! - Einen Schicksalsschlag oder eine Naturkatastrophe hat er nie als Willen Gottes bezeichnet!

In diesem Punkt herrscht ein schreckliches Missverständnis, das durch den Apostel Paulus - wie eine Krankheit - die ganze Christenheit angesteckt hat. Er hat in seinem Römerbrief Gott mit dem Bild eines allmächtigen Töpfers beschrieben, der die Menschen und ihre Schicksale gestaltet ohne irgendjemandem Rechenschaft geben zu müssen (Röm 9,19-24). Diese Worte des Paulus haben unsere Vorfahren ohne weitere Unterscheidung für göttliche Offenbarung genommen. Sie haben vergessen, dass der Apostel auch ein Mensch war, dessen wichtige Sendung seine menschliche Begrenztheit keineswegs aus der Welt geschafft hat. Und dieser Paulus hatte leider niemals die Gelegenheit gehabt bei Jesus zu lernen, dass Gottes Liebe - wie die Sonne - für alle Menschen da ist.

Wir können nicht mehr feststellen, was Paulus veranlasst hat zu schreiben, dass Gott gewisse Menschen „zur Vernichtung bestimmt hat“. Ich vermute dahinter schreckliche Erfahrungen, die er nur dadurch ertragen konnte, dass er alles, was geschah, mit dem Willen Gottes gleichgesetzt hat. Deshalb musste er auch alle Leiden dieser Welt auf Gott zurückführen. Er hat das Schicksal mit dem Willen Gottes gleichgesetzt, und damit hat er Gott zum Schicksal und das Schicksal zu Gott gemacht. Er hat leider nicht gemerkt, dass es auch eine andere Möglichkeit gibt, nämlich die Realität – wie sie ist – erst einmal als gegeben hinzunehmen und sie nicht mit dem Willen Gottes gleichzusetzen.

Jesus hat diese zweite Möglichkeit gewählt: er hat die Frage gar nicht gestellt, warum die Welt so ist, wie sie ist. Er hat Gott als den Liebenden erlebt und auf diese Erfahrung hat er sich verlassen. Wenn die Welt dann nicht wie das Werk eines liebenden Gottes aussah, revidierte Jesus nicht gleich sein Gottesbild. Er war stattdessen sicher, dass die Welt eben noch nicht dem Willen Gottes entsprach. Sein sehnlichster Wunsch wurde deshalb: "Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde!"

... nicht religiöse Vorschriften

Für Jesus war der Wille Gottes auch nicht das, was Menschen für Gottes Willen erklärten! - Die Kreuzfahrer waren nicht die einzigen, die ihre Eroberungskriege mit dem Wort begründet haben: „Gott will es!“. Bis heute gibt es politische Führer, die ihre „heiligen“ Kriege als Gottes Willen ausgeben. Und es gibt immer noch religiöse Gruppen, die ihren Mitgliedern genau sagen können, was der Wille Gottes von ihnen verlangt. Solche menschlichen Ansichten hatten in den Augen Jesu mit dem „Willen des Vaters“ nichts zu tun! Sehr auffallend ist, dass er auch selber nicht versuchte, in konkreten Anweisungen festzulegen, was Gott will. Es war ihm genug zu sagen, dass Gott keinen Menschen „verlieren“ will (Mt 18,14).

Für Jesus war der Wille Gottes nicht irgendwo schon fertig formuliert, sondern er war zu finden. Das beste Beispiel dafür steht in seinem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,30-35): Der Priester und der Levit gehen dort am Verletzten vorbei, denn sie meinen, den Willen Gottes durch die Gesetze ihrer Religion zu kennen, die eben nichts von diesem Fall wissen. Nur der Samariter, der keine Vorschriften im Kopf hat, öffnet sich der Situation, empfindet Mitleid und rettet den Verletzten. Damit hat Jesus auch sich selbst beschrieben. Er lebte nicht nach Vorschriften, sondern suchte „den Willen des Vaters“ in der Auseinandersetzung mit seinen Erfahrungen. Das Kennzeichen dieses Willens war für ihn der Einklang mit der erlebten Liebe Gottes. Er fand diesen Willen jeweils als konkrete Antwort auf die Not und die Sehnsüchte der Menschen, denen er begegnet ist.

Sein Wille ist zu retten ...

Für Jesus war es klar: Gott will, dass alle Menschen gerettet werden (vgl. Mt 18,12-14), und nichts anderes! Der himmlische Vater liebt die Menschen ohne Unterschied, wie sie eben sind; - weil er sie aber liebt, will er nicht, dass sie ewig bleiben, wie sie sind! Er will zwar niemals direkt das Leiden, aber das Werden, das besser Werden, gehört zu seinen Schöpfergedanken, auch wenn es mit Leiden verbunden ist.

Es ist völlig unvorstellbar, dass der Schöpfer und Vater einen seiner Menschenkinder etwa durch Krankheit oder einen schweren Verlust quälen will. Jesus war deshalb überzeugt, dass Gott nicht die Krankheiten, sondern Leben und Gesundheit „will“, sonst hätte er nicht Kranke heilen und gequälte Menschen von Schuldbewusstsein befreien können. Er heilte ja nicht, um den Willen Gottes zu durchkreuzen, sondern um ihn zu erfüllen. Darin sah er sogar die Gottesherrschaft zu den Menschen kommen (Lk 11,20)! Sein ganzes Verhalten verkündet seine Überzeugung, dass der Wille Gottes nicht das Leid, sondern die Befreiung vom Leid ist.

Der Vater, wie Jesus ihn beschrieb, schickt also nicht das Leid, und er bleibt dem Leidenden auch nicht fern. Seine Liebe umgibt jeden Menschen, und zwar in allem, was ihn auch treffen mag. Jesus hat daran festgehalten, auch wenn der Augenschein ganz dagegen sprach. - Warum die Welt so ist, wie sie ist, darauf ging er nicht ein. Seine „Philosophie“ hat sich darauf beschränkt, die Welt zunächst nüchtern zu sehen und anzunehmen, wie sie ist, - dann aber nach Möglichkeit zu verändern, damit sie dem Willen Gottes mehr und mehr entspricht!

... nicht leiden zu lassen

Was Jesus Gottes Willen nannte, war nicht etwas, was von Menschen ertragen werden müsste, sondern etwas, was von Menschen getan werden sollte (Mk 3,35)! - Er beschrieb mit einfachen Bildern, wie der himmlische Vater am Leben seiner Geschöpfe teilnimmt, auch wenn er nicht  in den Lauf der Dinge eingreift, etwa um einen Spatzen vor dem Jäger zu retten, oder Menschen, die er liebt, aus Leiden aller Art zu befreien. Dieser Gott achtet damit die Eigengesetzlichkeit seiner Schöpfung und erwartet entsprechend, dass sein rettender Wille die Menschen durch Menschen erreicht.

Nur ein Jesuswort könnte so verstanden werden, dass Gottes Wille den Menschen etwas schweres auferlegt. Es ist das Gebet vor seinem Leiden: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39). - Ich möchte mich dem Sinn dieses Gebetes sehr behutsam nähern. Denn es ist eine wertvolle Erfahrung, dass der Gedanke „nach dem Willen Gottes zu leiden“ schon vielen Menschen Halt und Trost im Leiden gegeben hat.

Trotzdem kann ich in diesem Gedanken keine Aussage über Gott sehen, sondern zunächst einen Versuch gläubiger Menschen, ihre Angst vor dem Leiden zu „kontrollieren“. Das Gebet „Dein Wille geschehe!“, wenn es nur aus vertrauendem Glauben kommen konnte, hat schon viele aus ihrer Verzweiflung gerettet. Ein solcher Glaube bietet die Kraft, einen zerstörten Lebenswillen Stück für Stück zu heilen. Wer dies einmal erlebt hat, der kann auch anderen leidenden Menschen versichern, dass auch sie - wenn sie noch so Schlimmes erfahren - von einem liebenden Gott begleitet werden. Denn das, und nur das bedeutet der tröstende Ausdruck: „nach dem Willen Gottes leiden“!

Gott will nicht das Leiden, sondern das Vertrauen des leidenden Menschen: Er soll sich darauf verlassen, dass Gott auch in der schwersten Stunde bei ihm ist. So wird er vor Verzweiflung bewahrt. Der vertrauensvolle Gedanke an den Willen Gottes fügt den Leidenden in eine größere Wirklichkeit ein und befähigt ihn, das Unerträgliche zu ertragen. Sein Vertrauen dient damit dem Leben. Es ist ein guter Weg, der ganz dem heilenden Willen Gottes entspricht.

ER will, dass man etwas tut

Im Gebet Jesu am Ölberg ist - in der Fassung des Matthäus - ein Ausdruck, der unsere besondere Aufmerksamkeit verdient: „wenn es möglich ist“, soll das Leiden an ihm vorübergehen. Nach diesem Wort hat Jesus damit gerechnet, dass sein blutiges Ende auch von Gott nicht abgewendet werden kann. Wenn er so gebetet hat, konnte er im befürchteten Tod gar nicht einfach den Willen Gottes sehen, dem er sich fügen sollte! Da er immer wieder davon sprach, dass Menschen den Willen Gottes tun, hat er auch hier darum gerungen, was er selber tun soll, um diesem Willen zu entsprechen. Er hat sich wohl dazu durchringen müssen, seiner Sendung auch unter Lebensgefahr treu zu bleiben und nicht etwa zu flüchten. In diesem Sinne hat er den Willen Gottes nicht erlitten, sondern er führte ihn aus. - Wenn wir die Worte „Dein Wille geschehe“ mit Jesus sprechen, müssen wir mit ihm vor seinem VATER stehen, der uns ohne Rückhalt liebt. Dann werden auch wir uns mit Vertrauen darauf konzentrieren, was wir in der Situation tun können.

Die Tatsache des Leidens führt zu einer Grenze, die für menschliches Denken bis heute unüberwindbar ist: Ist dem Schöpfer dieser Welt nicht alles möglich? Wenn er das Leben so liebt, wie Jesus ihn beschrieben hat, warum hat er nicht eine Welt ohne Bosheit und ohne Leid geschaffen? (Zu diesem Problem werden wir – in der Themengruppe „Glaube“ - bald einen eigenen Beitrag einstellen.) Hier möchte ich nur noch einmal die Tatsache betonen, dass Jesus das Negative in der Welt niemals als den Willen Gottes bezeichnet hat. Er sah in den bekannten Übeln vielmehr etwas, was wir nach dem Willen Gottes zu überwinden, zu verwandeln, oder - wenn es nicht mehr anders geht - wenigstens zu ertragen haben.

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