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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Vaterunser  ›  „Das andere wird euch dazugegeben“ Moderatoren: Weber
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„Das andere wird euch dazugegeben“  Dieses Thema wurde bisher 2.066 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
16 Juli 2006, 16:14 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30

„Das andere wird euch dazugegeben“  -  Der Stellenwert unserer Sorgen

„Euch muss es um sein Reich gehen; dann wird euch das andere dazugegeben“ (Lk 12,22-31). Das Vaterunser scheint nach diesem Wort Jesu komponiert zu sein: im ersten Teil geht es um Gottes Anliegen („sein Reich“), im zweiten Teil, das wir bis jetzt besprochen haben, um „das andere“, um die Anliegen der Menschen. In drei Bitten wird hier ihre Not ausgesprochen, die sich auf der Ebene des täglichen Lebens als Not der Bedürfnisse (tägliches Brot), auf der sozialen Ebene als Not der Schuldgefühle (Schuldvergebung), und auf der existentiellen Ebene als Not der Existenzangst (schwere „Proben“) zeigt. Diese Bitten werden einfach und ohne jede Dramatik ausgesprochen, obwohl die entsprechende dreifache Not die Menschen oft genug ganz bitter bedrängt.

Zum Vergleich möchte ich die „Frohe Botschaft“ des Buddha erwähnen, der in den "Vier edlen Wahrheiten" die Einsicht in die menschliche Not zum Ausgangspunkt seines Befreiungsweges machte: Es gibt das Leid, aber es gibt auch einen Weg, aus dem Kreislauf des Leidens zu entkommen. Dieser Weg zur Erleuchtung ist beschwerlich, aber der Mensch kann ihn gehen, gestützt auf Buddha, auf seine Lehre und auf seine Gemeinschaft.

Jesus sah die gleiche Wirklichkeit des Leides von seiner Gotteserfahrung her und gab ihr deshalb keine so zentrale Stellung. Er lehrte: Gott ist da, nimmt unsere Bedürftigkeit auf und führt uns zum Ziel. Im Gebet können und sollen wir also unsere ganze Not vor den göttlichen Vater bringen, aber erst nachdem wir uns um den „Willen Gottes“ bemüht haben. Wenn wir so beten, können wir darauf vertrauen, dass uns „das andere dazugegeben“ wird. Wie viel (oder wie wenig) dieses „andere“ ist, das Menschen zum Leben wirklich brauchen, schien ihm nicht so furchtbar wichtig zu sein, wenn einmal das „eine Notwendige“ gesichert ist.

Zu bemerken ist hier auch, dass die Welt und der Mensch von Jesus nirgendwo negativ gesehen, sondern als Gottes Werk bejaht und angenommen werden. Nach seiner Botschaft schwebt kein Fluch über unseren Alltag, wie es die Christenheit später aus der Genesis herauslesen zu müssen glaubte. Unsere „Natur“ ist lediglich so beschaffen, dass sie sich nicht genügt, dass sie – auf sich gestellt – nicht „ganz“ sein kann und damit heillos und unbefriedigt bleibt. Die Erlösung aus dieser Not heißt „Reich Gottes“, das uns nahe, und sogar schon „mitten unter uns“ ist.

In dem Gottvertrauen, das aus der Frohen Botschaft Jesu strahlt, wird die menschliche Situation zwar ganz ernst genommen, aber sie darf nicht in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. Unsere Sorgen müssen wir für so wichtig halten, wie irgendetwas auf dem Weg nur wichtig sein kann. Es sind lauter Dinge, die wir unbedingt erreichen zu müssen glauben, um sie dann wieder hinter uns zu lassen. Hauptsache ist nur, wie wir weiter kommen auf unserem Weg. Aber wohin führt dieser Weg?

Auffallend ist, dass im Vaterunser eine Vertröstung der Betenden auf das Jenseits nicht einmal angedeutet ist! Worum wir – den Blick fest auf den „Vater“ gerichtet – bitten sollen, sind schlichte Anliegen aus dem menschlichen Alltag, und nirgends „übernatürliche Gaben“ bzw. Gnaden, die ein späteres Christentum so hoch schätzt. Jesus ließ uns auch nicht um das ewige Heil bitten, und nicht einmal um eine gute Sterbestunde. Der „Sohn“ verließ sich auf die Liebe des Vaters. Erst spätere Zeiten haben seinem Gebet noch eine „Ave Maria“ hinzugefügt, wo aus Angst vor Sterben und Verdammnis die Hilfe der „Gottesmutter“ angerufen wird: „Bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes!“. – Jesus war sicher, dass Gott die Menschen sucht, auch wenn sie alle „Sünder“ sind. Bei Ihm brauchen wir deshalb keine Fürsprecher; wir können uns auf seine Liebe verlassen, auch wenn wir unseren Weg selber bewältigen müssen.

Jesus ging es eindeutig darum, dass wir das „Gottesreich“ in diesem Leben erfahren. Hier und jetzt sah er unsere Aufgabe. Die beste Vorbereitung auf einen guten Tod besteht in seinem Sinn zweifellos darin, den gegenwärtigen Augenblick gut zu nützen. Das „Übrige“, wozu das ewige Heil offenbar auch gehörte, machte er natürlich nicht klein. Um eine gute Sterbestunde können wir genau so natürlich bitten wie um Brot. Zur Angst besteht aber kein Anlass, denn: „Euer Vater weiß, dass ihr das braucht“. – Was wir am dringendsten brauchen, ist das lebendige Vertrauen Jesu, das er uns mit der Anrede „Abba“, und mit seiner ganzen Frohen Botschaft vermitteln wollte.

Die griechisch geschriebene jüngste Schrift des Alten Testaments, das Buch der Weisheit (im letzten Jahrhundert vor Jesus geschrieben), zeigt eine wunderbare Einsicht, als es Gott mit „Du, Freund des Lebens!“ anspricht (Weish 11,26). Diese Gottesanrede ist ein gemeinsames Kind jüdischer Welterfahrung und griechischen Geistes. Sie ist nicht nur eine Vorläuferin des Gottes- und Weltbildes Jesu, – sie ist auch sehr geeignet, seine Botschaft gerade unserer Zeit nahe zu bringen.

Wenn wir unsere Nöte mit der Nüchternheit der heutigen Wissenschaft sehen und an ihrer Behebung arbeiten, wissen wir trotzdem, dass unsere Möglichkeiten auf naturgegebene Grenzen stoßen. Auch die schönsten Fortschritte der Medizin können nichts daran ändern, dass wir eines Tages nacheinander alles, selbst unser Leben lassen müssen.

Es ist gut, schon heute daran zu denken, dass sogar noch hinter der Not des Sterbens der „Freund des Lebens“ steht. Jesus hatte nur diese eine Antwort auf alle Nöte der Menschen: Wenn wir uns um den großen Zusammenhang (Reich Gottes) kümmern, wird uns alles Nötige „dazugegeben“. Vieles mag für uns wichtig sein, aber entscheidend ist nur das Eine: unsere Beziehung zum „Freund des Lebens“. Der vertrauende Blick zu ihm macht es uns möglich, in allen „Proben“ einfach auszuharren. So werden wir imstande sein, Ja zu sagen zum Leben, wie es ist, weil es von ihm kommt. Dieses Ja in einer letzten Not ist vielleicht das Höchste, was ein begrenztes Wesen, wie wir sind, leisten kann. Mit diesem Ja des Vertrauens stehen wir zu Gott, dem Überweltlichen Leben, und geben Zeugnis für den Glauben, dass er unser Leben nicht vergessen, dafür aber unsere ganze Not vergessen machen wird.
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