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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Glaube  ›  Ich glaube an den EINEN Gott Moderatoren: Weber
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Ich glaube an den EINEN Gott  Dieses Thema wurde bisher 2.332 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
23 August 2006, 18:08 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30
„Ein Schriftgelehrter fragte ihn: Welches Gebot ist das Erste von allen? Jesus antwortete: Das erste ist: Höre Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr" (Mk 12,28-31 Zitat aus Dtn 6,4). Auf die Frage nach dem Kern der Religiosität wiederholt Jesus das grundlegende Bekenntnis Israels. Während aber die Tradition Israels die Erhabenheit des einen Gottes so stark betonte, dass man nicht einmal seinen Namen aussprechen durfte, hatte die Gotteserfahrung Jesu einen anderen Schwerpunkt: er erlebte den EINEN in seiner Zuwendung und Nähe.

Jesus sah nach seiner Taufe "die Himmel geöffnet", Gott also – entgegen der traditionellen Vorstellung – für Menschen zugänglich. Und dieser Gott kam von sich aus dem Menschen entgegen: Jesus „sah“, wie ihn der Geist – wie ein neuer Lebensatem – von oben erfüllte. Dabei hörte er "aus den Himmeln" – also aus dem Bereich des EINEN – eine Stimme, die seine unaussprechliche Erfahrung so deutete: "Du bist mein Sohn, Geliebter!"

Was können diese Worte für Jesus bedeutet haben? Sein Verhalten zeigt in überraschender Weise, dass er diese Worte nicht direkt auf sich bezogen hat. Der Eindruck des geöffneten Himmels – seine erschütternde Gottesbegegnung – hat offenbar alles andere in den Hintergrund gedrängt. Er erlebte die Bezeichnung „mein Sohn“ als Offenbarung grenzenloser Liebe. Als Spiegelung dieser Liebe prägte er den Gottesnamen „Abba“ („Vater“, „Papa“). Sich selbst aber erlebte er in der EINHEIT mit diesem „Abba“ nicht als privilegierte („zweite“!) Person zu seiner Seite und den übrigen Menschen gegenübergestellt, sondern als einer von ihnen, als „Menschensohn“, als Menschenkind und zugleich Gotteskind. Deshalb begann er bald nicht nur von Gott als „Abba“ zu reden, sondern er betonte auch, dass alle gerufen sind, Töchter und Söhne dieses Vaters zu werden (Mt 5,45.4. Es war wesentlich für ihn, dass Gott nicht der unzugängliche EINE HERR, sondern der EINE VATER ist, der nicht mehr ohne seine Kinder gedacht und auch nicht ohne Rücksicht auf die Mitmenschen geehrt werden konnte!

Es ist zu beachten, dass Jesus das traditionelle jüdische Bekenntnis nicht dazu verwendete, das überkommene patriarchale Gottesbild einzuschärfen, sondern um seine eigene Gotteserfahrung – so gut er es konnte – weiterzugeben. Wenn wir also nach dem Kern seiner Botschaft suchen, müssen wir vor allem die Hinweise auf seine eigene Gotteserfahrung ernst nehmen. Solche Hinweise sind zweifellos alle Motive, die das damals herrschende patriarchale Vaterbild Gottes verändert oder neuartig betont haben. Solche sind vor allem die mütterlichen Züge seines Gottes, dessen Liebe sich ohne Unterscheidung nicht nur auf alle Menschen („Gute und Böse“!), sondern auch auf für weniger wichtig erachteten Geschöpfe wie Gras und Vögel erstreckt (Mt 5,45; 6,26.30). Eine Kurzfassung seiner Lehre: „Der EINE ist allumfassende LIEBE.“

Der eine Gott  und die „fremden Götter“

Wenn wir das Gottesbild des „Vaters“ so weit aufs Wesentliche zurückführen, wird es zugleich relativiert. Wir können dann auch an andere Menschen denken, die in den verschiedensten Religionen bereits die große Erfahrung des EINEN gemacht haben. Diese Erfahrung ist in ihrem Wesen nicht aussprechbar, so dass sie mit den vielfältigen Bildern der religiösen Traditionen oder der persönlichen Ergriffenheit nur angedeutet werden konnte. Damit bekommen wir ein Verständnis für die Menschen, die Gott anders sehen, die Gott mit anderen Namen anreden, oder vor dem Eindruck des EINEN verstummt auf eine persönliche Anrede überhaupt verzichten. Menschen, die ganz verschieden über Gott denken, können noch alle vor dem gleichen unaussprechlich EINEN stehen, den Jesus als „Vater“ angesprochen hat.

Wäre es nicht wünschenswert, die verschiedenen Facetten menschlicher Erfahrung des Göttlichen zu vereinen, etwa im Bild eines Vater-Mutter-Himmel-Erde? – Jedes Bild hat seine eigene Aussage und entspricht jeweils einem anderen menschlichen Anliegen; von ihrer „Addition“ müsste man deswegen eher eine Schwächung ihrer Kraft erwarten. Und auch wenn man die Kraft aller Gottesbilder in einer derartigen Vorstellung konzentrieren könnte, dürfte man immer noch nicht vergessen, dass der EINE noch viel mehr ist, und dass nichts außerhalb dieses EINEN ist wie auch wir selber nicht von ihm getrennt sind und auch niemals sein könnten. Wenn ein Mensch die hier eher angedeutete als beschriebene „Letzte Wirklichkeit“ nicht nur spekulativ denken, sondern auch bewusst erleben könnte, hätte er damit seine Vollendung erreicht. Ein solches Ergebnis der „Gotteslehre“ bleibt für den Alltag freilich das Objekt der Sehnsucht und der Hoffnung.

An diesem Punkt könnte man uns zwar vorwerfen, dass wir mit der Relativierung der Gottesbilder dem religiösen Subjektivismus Tür und Tor öffnen, aber das soll uns nicht beunruhigen. Jede persönliche Spiritualität hat zweifellos das Recht auf eigene Ausdrucksformen. Sie alle können nur danach beurteilt werden, ob sie geeignet sind, Menschen auf ihrem Weg zur Begegnung mit dem EINEN weiter zu führen. Das war auch das Anliegen Jesu, der die Begegnung mit dem EINEN VATER mit dem für sein Volk damals aktuellen (aber historisch durchaus zufälligen) Namen als „Reich Gottes“ bezeichnet hat.

Wer einmal diese Freiheit im Sprechen über Gott erreicht hat, wird natürlich nicht erwarten, dass die übrige Christenheit seinetwegen die überlieferte Sprachregelung der biblischen Verkündigung aufgibt. Er wird diese Verkündigung auch selber schätzen, sie aber ihrem Wesen nach als Mittel bzw. als Weg zu einem Ziel begreifen, das jenseits aller Beschreibung liegt. Und die Vertreter der Kirchen, die auf ihren fest gefügten Glaubensformeln bestehen und abweichende Formulierungen als Irrtümer bezeichnen, wird er bescheiden daran erinnern, was schon für den Apostel Paulus selbstverständlich war: „Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden; wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk“ (1Kor 13,9-10). Anders ausgedrückt: Auf dem Gebiet der religiösen Erfahrung können keine Worte das Erlebte wirklich enthalten und verlässlich weitergeben. Auch noch so „richtige“ („wahre“) Glaubenssätze können – im günstigen Fall – nicht mehr, als den Hörer auf den Weg zu schicken, ihn zur eigenen Suche einzuladen. Die Kirchen hätten also gute Gründe dafür, ihren Mitgliedern die Freiheit zu lassen, ihre spirituellen Erfahrungen auf ihre Weise auszusprechen. Unter ehrlich suchenden Menschen sollte niemand mehr wegen evtl. abweichender Formulierungen seiner geistlichen Erfahrung ausgegrenzt werden dürfen.

DAS  EINE  –  ein Gottesbild mystischer Erfahrung

Als Mose die „Herrlichkeit“ Gottes sehen wollte, hörte er diese Worte: „Du kannst mein Angesicht nicht sehen; denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben“ (Ex 33,20). Eine alte Tradition sah in diesen Worten die Warnung vor einer Todesgefahr, als wäre das Erblicken Gottes ein Tabubruch, der den sofortigen Tod bewirkt. Neben diesem möglichen Hintergrund sehe ich in ihnen auch eine Andeutung der Wirkung der großen mystischen Erfahrung des EINEN: In dem Augenblick, wo das menschliche Ich vom Eindruck dieses EINEN überwältigt wird, verschwindet das Bewusstsein der Individualität des Sehers in einem unsagbaren Glückszustand. Wenn er dann nicht stirbt und sein Ich wieder findet, sieht er das „Angesicht“ des EINEN natürlich nicht mehr.

Zu welchem Gottesbild könnten wir aufgrund mystischer Erfahrungen und ohne Rückgriff auf die geschichtliche Offenbarung kommen?

Für uns Menschen, die im westlichen Kulturkreis von der biblischen Tradition geprägt sind, erscheint „Gott“ nicht (oder höchst selten) als das absolut Eine, dagegen sehr stark als eine Person, als ein uns gegenüberstehendes Ego (ein „Ich“) mit bestimmten Eigenschaften. In einer mehr östlichen Sicht (aber auch in der Sichtweise mancher christlicher Mystiker) ist das Absolute ganz das Gegenteil einer Person, nämlich die große Einheit, die sich nicht (oder kaum) mehr als ein Ego zeigt. Das Absolute ist so wenig eine Person wie der Ozean eine Welle ist, obwohl es natürlich in keiner weise weniger, sondern viel-viel mehr  als eine „Person“ ist. Das EINE ist aber für sich weder Ich noch Du.

Es bleibt natürlich die Tatsache bestehen, dass wir Menschen auf ein Du angewiesen sind, und zwar nicht nur als Gesprächspartner, sondern um uns selbst (als Ich) überhaupt zu finden und zu erkennen. Kurz gesagt: Wir brauchen einen Gott als ein geeignetes Du, auf den wir uns verlassen können, mit dem wir uns auch auseinander setzen können, um über uns selbst und über unsere Beziehungen zu den Mitmenschen und zur Welt Klarheit zu gewinnen. „Unser Gott“ als Gesprächspartner (d. h. unser Gottesbild!) muss für uns also selbstverständlich ein Du sein, das uns ein „Heraustreten“ aus den Begrenzungen unseres „Ich“ ermöglicht. In uns ist allerdings auch ein Verlangen nach Liebe ohne definierte Grenzen. Die Erfahrungen der Mystiker mahnen uns, dass unser Gottesbild – um jede einseitige Fixierung zu vermeiden – nicht festgelegt, sondern unbedingt offen bleiben sollte in Richtung auf das absolut EINE. Wenn ich diesen Aspekt der Offenheit des Gottesbildes betonen will, werde ich dies im folgenden Text damit andeuten, dass ich gOtt (statt Gott) schreibe.

Dazu noch eine Bemerkung: Der „westliche“ Mensch projiziert sein Ego – einem überdimensionierten menschlichen „Ich“ ähnlich – als allmächtigen Herrn  in den Himmel. Aber das Absolute lässt sich nicht als Gegenüber von Anderen definieren, deshalb auch nicht als Ego begreifen. Wer aus dem göttlichen Geheimnis konsequent ein Ego macht, betreibt eine Art Götzendienst, den ich hier etwas überspitzt „Egolatrie“ („Ich-Anbetung“) nennen möchte, der zu untragbaren Widersprüchen führen muss, wie wir es noch sehen werden. Es ist mir natürlich auch klar, dass diese „Egolatrie“ für Menschen kaum zu vermeiden ist. Gott als Ego (z. B. als „eifersüchtiger Gott“) kommt dem entsprechend vielfach auch in der Bibel vor (Ex 20,5; 34,14), denn ein solches Bild haben die Menschen verstehen können. Dieses egozentrierte Denken bildete wahrscheinlich sogar eine der Voraussetzungen der Entwicklung der menschlichen Kultur – und seine Funktion wird auch in der Zukunft notwendig bleiben.

Aber was notwendig ist, muss nicht immer auch ausreichend sein. Die Entwicklung der Menschheit kann einen Punkt erreichen, wo sie von den Leitbildern „dieser Welt“, d. h. eines Ich-zentrierten Denkens („immer mehr, immer höher, immer schneller!“), nicht mehr das „Heil“, ja vielleicht nicht einmal das schlichte Überleben erwarten kann. Wir haben diesen Punkt vielleicht schon erreicht oder überschritten. Wenn wir die Gefahr merken, müssen wir den Stellenwert dieses Denkens revidieren.  Die Betonung des Ego wird zwar immer noch ein Kennzeichen und Antrieb menschlichen Handelns bleiben, aber wir dürften dieses Ego nicht mehr als höchsten Wert gelten lassen, der „selbstverständlich“ auch in Gott (und zwar absolut!) verwirklicht wäre. Deshalb müsste das Christentum heute – um für unsere Zeit heilsam zu sein – nicht mehr in erster Linie den Gehorsam gegenüber einem göttlichen HERRSCHER verkünden, sondern die demütige (d. h. “zum Dienen mutige“) Anerkennung des EINEN, dessen Reich „nicht von dieser Welt ist“.

DIE TRANSZENDENZ  –  Versuch einer bildlosen Umschreibung Gottes

Jede Offenbarung über Gott hat einen schwachen Punkt: was wir auch beim Sprechen aussagen, was wir auch beim Hören vernehmen, es bleiben immer menschliche Gedanken. Bevor wir weiter über Gott reden, müssen wir uns noch diesen Umstand etwas genauer anschauen.

Was der Mensch erkennt, das bildet seine „Welt“, gehört automatisch zu seiner Welt. Das wichtigste Werkzeug seiner Erkenntnis, seine Sprache, ist in der Bewältigung der Aufgaben des Überlebens in dieser Welt entstanden. Kann gOtt, der nicht Teil der menschlichen Umwelt ist, unter diesen Umständen überhaupt zum Gegenstand menschlicher Erkenntnis werden? – Wer nach Gott sucht, muss auf jeden Fall damit rechnen, dass er ihn trotz allem Bemühen niemals „dingfest machen“ kann, denn er ist keine Realität in Raum und Zeit, er ist transzendent. Aus dieser Einsicht folgt die Berechtigung und sogar die Notwendigkeit einer „negativen Theologie“, wonach wir über das Wesen Gottes vor allem negative Aussagen machen können: wir können viel leichter sagen, was Gott nicht ist, als das, was er ist. Selbst das „Gotteswort“ der Bibel hält sich oft daran und bleibt mit seiner Aussage im Bereich des Negativen: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn“ (Jes 55,.

Was immer wir über Gott lesen, hören oder sagen, muss deshalb vor dem Hintergrund seiner Transzendenz stehen. Wir dürfen niemals vergessen, dass gOtt mit Sicherheit nicht mit dem „Gott“ identisch sein kann, den Menschen sich so treffend ausdenken. Unsere Begrifflichkeit baut ja auf Definitionen, die das, was wir bezeichnen und das, was wir nicht meinen, von einander „abgrenzen“; wir haben aber keinerlei Sicherheit darüber, wie weit die Grenzziehungen unseres „Begriffsapparates“ für gOtt gelten. Allein schon wenn wir ihm einen Namen geben oder von ihm irgend etwas behaupten, haben wir ihn damit definiert, das heißt „eingegrenzt“, von ihm gewisse andere Möglichkeiten ausgeschlossen – und damit den „echten“ Gott vielleicht bereits verfehlt. Deshalb soll auch unser Ausdruck der Transzendenz Gottes selbst keinen positiven Inhalt vorgeben. Transzendenz besagt nur, dass Gott grundsätzlich keiner Begrenzung unterliegt, ganz unabhängig davon, was unsere sprachlichen Wendungen über ihn auch aussagen mögen.

In meinem Buch „Jesus oder Paulus“ (Näheres s. unter „Buchbesprechungen“) habe ich die Gottesbilder Jesu und des Paulus einander gegenübergestellt und darauf hingewiesen, dass sie miteinander logisch nicht zu vereinbaren sind. Ihre Diskrepanz geht darauf zurück, dass Paulus die frohe Botschaft Jesu anscheinend nicht gekannt oder sie für die Erklärung seiner Probleme nicht für ausreichend gehalten hat. Man darf aber keineswegs übersehen, dass seine Gotteslehre aus seiner inneren Auseinandersetzung mit gewichtigen Problemen entstanden ist und dass er mit ihr bis zu den Grenzen seiner Möglichkeiten vorgedrungen ist. Die Mängel seiner Gotteslehre sollte man ihm, einem fehlbaren Menschen, auch nicht vorwerfen. Allein die Absolutsetzung dieser Lehre durch eine später erfolgte Deutung seiner Briefe als „unfehlbare heilige Schrift“ war falsch, wie auch jede Absolutsetzung von Aussagen über Gott nur falsch sein kann. Paulus war sich noch durchaus bewusst, dass weder er selber noch seine Gotteserkenntnis vollendet war (vgl. Phil 3,10-13 und 1Kor 13,12). Wenn er im Galaterbrief (Gal 1,6-9) trotzdem jeden verflucht, der bei der Verkündung der „guten Nachricht“ von seiner Auffassung abweicht, hat er damit vor allem das eigene Ansehen vor dieser Gemeinde verteidigt. Wir können deshalb seine Worte ruhig als rhetorische Übertreibung eines leidenschaftlichen Kämpfers verstehen und so auch gelten lassen. Wer aber später – von seinen Worten ermutigt – wahre „Betonmauern“ solcher Verfluchungen um die eigene Gotteserkenntnis errichtet hat, um mit seinen Dogmen vermeintliche „ewige Wahrheiten“ zu sichern, verdient nicht den gleichen Respekt. Die menschliche Begrenztheit der Vertreter der Kirche macht zwar das Entstehen eines vom Leben abgekoppelten „Lehrgebäudes“ verständlich, aber wer diese Zusammenhänge einmal eingesehen hat, darf nicht mehr verschweigen, dass jedes Dogma letzten Endes dem Verkennen der Transzendenz Gottes nahe kommt.

Dies gilt natürlich über jede menschliche Festlegung der Eigenschaften des Transzendenten. Um nur ein Beispiel zu nennen: Karl Herbst hat in seinen Büchern überzeugend dargelegt und bestand bis zuletzt darauf, dass Jesus einen „nur guten“ Gott verkündet hat. In seinen späten Jahren hat ihm allerdings die Absolutsetzung dieses „nur guten“ Gottesbildes unsägliche Probleme bereitet, denn er hat sich vehement dagegen aufgelehnt, dass dieser „Gott“ auch Krankheitserreger, Spinnen, Füchse und andere „böse“ Wesen geschaffen haben konnte. Es war ihm nicht möglich, sich auf den einfachen Ausweg einzulassen, dass die Gottesbotschaft Jesu direkt nur auf ein Ziel ausgerichtet war, auf die Umkehr seiner Hörer zum vollkommenen Vertrauen zu Gott. Karl Herbst hat – wie die meisten Vertreter des Christentums – stillschweigend etwas vorausgesetzt, was Jesus völlig fremd war, nämlich dass die Verkündigung der „guten Nachricht“ zugleich die letztgültige Offenbarung des Wesens Gottes und damit alle Rätsel dieser Welt zu erklären imstande sein muss. Jesus hat zwar nicht von Transzendenz gesprochen, aber – was gleichbedeutend ist – er sprach wie selbstverständlich die stärksten Paradoxien aus, wenn er die Sache Gottes mit den Menschen vertrat. Seine Bergpredigt ist ein einziger Ausdruck davon, dass bei Gott Maßstäbe gelten, die dem „gesunden Menschenverstand“ als sinnlos oder widersinnig erscheinen müssen.

Die Transzendenz Gottes bietet uns den Schlüssel, die Widersprüchlichkeit der vielen Gottesbilder der Bibel richtig einzuordnen. In diesen Gottesbildern werden keineswegs die Eigenschaften einer direkt nicht zugänglichen göttlichen Persönlichkeit „geoffenbart“; sondern es sind jedes Mal Menschen, die in diesen Bildern – in ihrer jeweiligen Situation – eine Klärung ihrer Gedanken und damit eine Hilfe auf ihrem Weg erfahren. Menschen einer späteren Zeit, die in ihrer „Heiligen Schrift“ vor allem die eigene Sicherheit suchen, verkennen zu leicht diese Tatsache. Wir müssen aber bescheiden zur Kenntnis nehmen, dass selbst die Bibel uns keine Möglichkeit bietet, gOtt „mit Sicherheit“ zu erkennen. In die selbe Richtung zielt das biblische Verbot jeglicher Darstellung Gottes, das natürlich nicht nur eine Einschränkung der Kunst ist, sondern ganz radikal auch jede gedankliche Fixierung des Göttlichen verbietet. Wer den wirklichen Gott meint (der keine Realität in Raum und Zeit ist), muss jeden Schritt, den er (in Raum und Zeit!) in seine Richtung macht, sozusagen „offen lassen“. Es bleibt ihm verwehrt, jemals mit Recht zu glauben, er hätte gOtt begriffen und könnte von ihm irgend etwas festhalten! Jeder begriffene „Gott“ ist ein falscher Gott, ein Götze. Dies gilt für jegliche Gotteserkenntnis, ob sie aus einer heiligen Schrift, aus eigenem Nachdenken oder aus einer mystischen Erfahrung ausgehen mag.

Was ist dann aber von der „Gotteserfahrung“ Jesu am Ausgangspunkt seiner Sendung zu halten? Und was sollen wir von den Berichten über Transzendenzerfahrungen halten, die auch in unserer Zeit geschehen? Eine solche „Erfahrung“ liegt nicht auf der selben Ebene wie die Sinneserfahrungen, die letztlich unser ganzes Wissen von der Welt begründen. Eine Transzendenzerfahrung ist auch keine Mitteilung (und in diesem Sinn auch keine „Offenbarung“!), sondern eine Begegnung. Wer eine solche erlebt hat, weiß nachher nicht mehr als vorher. Er hat lediglich etwas gesehen, was er mit seinen bekannten Begriffen nicht greifen kann; er bekam eine Einsicht, eine Evidenz, die er aber nicht beschreiben und niemandem weitergeben kann. Ein solches Erlebnis transzendiert die bekannte Welt der Erfahrungen und der Sprache. Wer sie erlebt, wird nachher nur von sich etwas zu berichten haben, denn die Begegnung ist an ihn nicht spurlos vorbeigegangen. Er ist jetzt sich sicher, er ist eines Sinnes sicher, er hat ein Glück geschmeckt, einen Zustand, in dem nichts fehlt, in dem aber auch kein Subjekt und kein Objekt mehr vorhanden und folglich auch über nichts mehr zu berichten ist. Auch Jesus begann nach seiner großen Erfahrung nicht eine „Lehre über Gott“ zu verbreiten, als wüsste er über ihn jetzt, da er sich ihm klar gezeigt („geoffenbart“) hat, genau bescheid. Statt dessen sprach er über die Nähe des „Gottesreiches“, das er aber mit Bildern von menschlichen Angelegenheiten beschrieb. Der geöffnete Himmel, den er „sah“, und die Stimme, die er „hörte“, sind nur mitteilbare Chiffren der nicht mitteilbaren Evidenz einer Transzendenzerfahrung, die sein beispielloses Vertrauen begründet hat. Dieses Vertrauen wusste er für die Menschen mit den Bildern des „Vaters“ zu übersetzen.
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