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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Glaube  ›  Gibt es eine göttliche Vorsehung? Moderatoren: Weber
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Gibt es eine göttliche Vorsehung?  Dieses Thema wurde bisher 2.560 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
23 August 2006, 18:12 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30
Das Wort Vorsehung ist nicht ohne Grund etwas aus der Mode gekommen. Es bedeutet ja, dass hinter allem, was mit den Menschen geschieht, ein gütiger Gott steht, der auf geheimnisvolle Weise dafür sorgt, dass (wenigstens für die von ihm Bevorzugten) alles zu einem guten Ende kommt. Die Beobachtung des Lebens legt uns allerdings nahe, statt einer solchen „göttlichen Vorsehung“ eher die Vorherrschaft eines blinden Schicksals anzunehmen, das manchen Menschen Glück und Gesundheit, vielen anderen aber lauter Ängste und Unglück beschert. Angesichts des unbeschreiblichen Leidens vieler unschuldiger Menschen (Kinder!) erscheint es sogar als Zynismus, wenn jemand von der Vorsehung eines gütigen Gottes redet. Die Zweifel an einer solchen Vorsehung werden noch verstärkt durch das moderne und wissenschaftlich fundierte Weltbild, nach dem alle bekannten Vorgänge nach streng bestimmten Naturgesetzen ablaufen, die keinen „Spalt“ offen lassen, wo ein „Gott“ irgendwie eingreifen könnte.

Die Beobachtung zeigt es aber auch, dass Menschen die Wirklichkeit ihres Lebens oft extrem gegensätzlich erfahren und deshalb über Gott auch in extremen Gegensätzen sprechen können. Es gibt solche, die bereit sind, auch die absurdesten Seiten des Lebens mit dem „Willen Gottes“ zu erklären, während andere die gleichen absurden Seiten trotzig als Beweis gegen die Existenz eines Gottes betrachten. Wenn ich in beiden Fällen die Gemeinsamkeit suche, vermute ich im Hintergrund das gleiche unausgesprochene Bedürfnis: Menschen empfinden ihr Dasein nur dann als sinnvoll, wenn sie sich bejaht und in Liebe angenommen wissen. Manche haben das Glück, sich auf die Liebe eines Gottes verlassen zu können, der das scheinbar chaotische Weltgeschehen lenkt; und dieser Glaube bietet ihnen trotz aller Widrigkeiten eine Heimat. Andere haben keine bessere Möglichkeit, als sich gegen die Sinnlosigkeit ihrer „unbehausten“ Existenz aufzulehnen, um sich wenigstens durch diese Auflehnung selbst zu bestätigen und einen gewissen Halt zu gewinnen – wobei ich bemerken möchte, dass hinter ihrem Protest die unausgesprochene Überzeugung stecken muss, dass die Menschen einen „natürlichen“ Anspruch auf eine „humane Welt“ haben, was eigentlich nur durch einen „Gott“ begründet werden könnte. Mir scheint, dass der Glaube an die Vorsehung – sonst gleiche Lebensumstände vorausgesetzt – die Glaubenden glücklicher und angstfreier leben lässt. Schon aus diesem Grund könnte es sich lohnen, etwas genauer nachzufragen, ob wir im Glauben an die Vorsehung nicht doch etwas Greifbares und für uns Bedeutungsvolles finden können.

Wie hat es Jesus mit der Vorsehung gehalten?

Erinnern wir uns an seine bekannten Bilder, die uns das Vertrauen zu Gott nahe legen: „Seht auf die Raben: Sie säen nicht und ernten nicht ... denn Gott ernährt sie. ... Seht euch die Lilien an ... Wenn Gott schon das Gras so prächtig kleidet, ... wie viel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen!“ (Lk 12,22-31).

Könnte es sein, dass mit solchen Worten ein guter Redner nur seine Zuhörer manipulieren wollte? Es deutet nichts darauf hin, dass Jesus mit ihnen den eigenen Vorteil oder die Anerkennung seiner Person erstrebt hätte. Er war jemand, dem man glauben kann, dass er auch hier seine Überzeugung sagte. Selbstverständlich wollte er mit seinen Worten die Menschen bewegen, aber – so war er überzeugt – zu ihrem eigenen Vorteil. Er wollte, dass auch sie das Entscheidende erleben: „Sorgt euch nicht um euer Leben! ... Euch muss es um sein (Gottes) Reich gehen; dann wird euch das Andere dazugegeben.“ Auch als er von Vertrauen sprach, hatte er das „Reich Gottes“ im Blick. Leider ist es uns heute nicht mehr möglich zu sagen, was er mit diesem Begriff genau bezeichnen wollte. Ich neige zu der Annahme, dass dies nicht nur der mangelhaften Überlieferung zuzuschreiben ist, sondern dass er den genauen Inhalt dieses von ihm gebrauchten Bildes selber in der Schwebe gelassen hat. Er hat etwas erlebt, was er seinen Mitmenschen weitergeben wollte. Dabei griff er auch auf die damals verbreitete Vorstellung einer kommenden „Gottesherrschaft“ zurück, von der man die Erfüllung vieler nationaler und gewiss auch spiritueller Sehnsüchte erwartet hat. Wir sollten hier aber nicht übersehen, dass er in seinen Beispielen von ganz alltäglichen Dingen sprach („dass ihr etwas zu essen und anzuziehen habt“) als er betonte: „Euer Vater weiß, dass ihr das braucht.“ Jesus wollte also nicht nur eine Vertröstung auf das Jenseits geben, sondern ein Vertrauen zu Gott begründen, das ganz konkret und greifbar unserem täglichen Leben dient!

Wir finden aber in diesen Texten nirgendwo einen Hinweis darauf, dass Jesus seine schönen Bilder für eine umfassende Welterklärung gehalten hätte – oder dass er gemeint hätte, mit ihnen den Menschen eine Art „Lebensversicherung“ geben zu können. Er hat die Welt gewiss nicht für einen großen zoologisch-botanischen Garten gehalten, wo der Chef von der Ernährung der Raben bis zur Bewässerung der Lilien alles sicherstellt und ohne Zweifel auch für die Bedürfnisse der menschlichen Belegschaft sorgt. Auch ihm war es selbstverständlich klar, dass Gott nicht nur gutmütig „seine Sonne aufgehen lässt über Bösen und Guten“, sondern mit der gleichen Sonne sie auch unbarmherzig umbringen kann, wenn sie in der Wüste ihren Weg verfehlen; und dass der gleiche Gott nicht nur „regnen lässt über Gerechte und Ungerechte“, sondern sie gelegentlich auch beide mit einem Tsunami vernichten kann. Trotzdem hielt er daran fest, dass dieser „Vater“ unterschiedslos alle liebt, auch seine Feinde.

Der Glaube an die Vorsehung ist im Munde Jesu in keiner Weise eine abstrakte Feststellung, sondern gelebtes Vertrauen. Es ist das Festhalten an der grenzenlosen Liebe Gottes. Er konnte nicht daran zweifeln, dass unser Leid und Not – im Angesicht eines solchen „Vaters“ – überhaupt nur möglich ist, wenn es sich nicht um ein unabwendbares Verhängnis, sondern um den Durchgang zu einem guten Ende handelt. Und dieses gute Ende war für ihn nicht einfach das Verlöschen des Leids mit dem Verlöschen der Existenz, sondern eine persönliche Auferstehung. In dieser Auferweckung des Menschen bald nach seinem Sterben sah er allerdings nicht eine Neuauflage des bisher bekannten Lebens, sondern eine neue, eine geistige Daseinsweise, in dem sie „wie die Engel im Himmel“  leben (Mk 12,25-2. Die Betonung einer „Auferstehung des Fleisches“ war und ist ein primitiv materialistisches Missverständnis des Glaubens Jesu. Wenn wir bedenken, dass Raum und Zeit nur die notwendigen physikalischen Dimensionen unserer materiellen Wirklichkeit sind, und dass der „Geist“ von uns zwar in Verbindung mit dem menschlichen Gehirn, aber keineswegs in den Dimensionen von Raum und Zeit erfahren wird, werden wir einen einwandfreien Anhaltspunkt haben für eine andere Möglichkeit des Daseins: in anderen Dimensionen, beim „Gott der Lebenden“, für den auch die verstorbenen Menschen (wie Abraham, Isaak und Jakob) einfach da sind wie die geistigen Engel, in einer Existenz, die nicht materiell bestimmt ist. Worin aber ein solches Leben genau besteht oder nicht besteht, darüber könnten wir nur etwas sagen, wenn wir Einblick in die tiefsten Zusammenhänge der ganzen Wirklichkeit hätten. Die Bilder, die die christliche Tradition dafür bereitstellt, dienen in erster Linie der Tröstung und Ermunterung im Leid und sollten nicht als Beschreibung eines künftigen Zustandes missdeutet werden.

Kann das Leid einen Sinn haben?

Auf der Suche nach einem „Sinn“ der menschlichen Leiden verweisen manche auf innerweltliche Zusammenhänge, etwa dass sie zu einer inneren Reifung der Menschen notwendig sind. Nach dieser Vorstellung dienen Leiden dazu, dass wir durch sie bis zu einem Zustand reif werden, in dem unsere „Treue zu Gott“ nicht mehr dafür herhalten muss, um unsere Anhaftung an vergängliche Dinge zu verschleiern. Wir spüren ja selber, wie unehrlich oder sogar unmöglich allein schon der Gedanke des „Hauptgebotes“ ist, Gott um seinetwillen zu lieben. Wir hängen derart an unseren ungezählten Wünschen und Interessen, dass wir ein Freiwerden von ihnen uns ernsthaft nicht einmal vorstellen können. Vielleicht kann uns erst das Leid vorbereiten, dies alles loszulassen, bis wir fähig werden, im Durchgang des Sterbens dem unzerstörbaren LEBEN entgegenzutreten. „Gottes Wille“ ist dann nicht, dass wir leiden, sondern dass wir uns vom Leid nicht besiegen lassen und aus ihm irgendwie verwandelt herauskommen.

Durch eine positive Spiritualität des Vertrauens, wie Jesus sie vorgelebt hat, können wir auch unser Leid in einem größeren Zusammenhang sehen. Ein frühes Beispiel dafür finden wir im Buch der Weisheit: „Ein wenig werden sie nur gezüchtigt; doch sie empfangen große Wohltat. Denn Gott hat sie geprüft und fand sie seiner würdig. Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt und sie angenommen“ (Weish 3,5f). Solche Worte können wir – angesichts des wirklichen Leidens – ehrlich nur aussprechen, wenn wir dabei Gottes Unbegreifbarkeit (Transzendenz) nicht aus dem Auge verlieren. Das Bild von der Prüfung des Goldes durch Feuer bleibt deshalb ein menschlicher Versuch und kann nicht als Erklärung göttlicher Absichten gelten. Unserer heutigen Vorstellung entspräche viel mehr, auch im verbreiteten Leiden ein Mittel zu sehen, das geeignet ist, die Entwicklung der Menschheit in eine gewisse Richtung zu „treiben“. Damit will ich aber keine Erklärung, nur eine positivere Sicht der belastenden Erfahrungen bieten.

Bei einem Menschen, der vom Leid getroffen ist, greift sowieso jede Erklärung ins Leere. Nützlicher als eine Erklärung ist es, sich auf den eigenen Lebenswillen zu konzentrieren. Was in allen Anfechtungen gültig bleibt, ist der Appell Jesu, uns dem Urgrund unseres Lebens anzuvertrauen. Zu einem solchen Vertrauen bot er uns das konkrete Bild des „Vaters“, auf den auch er selbst bis zum Ende vertrauen konnte. Auf diesen Vater können auch wir uns verlassen. Wir halten uns dabei an dem Gedanken fest, dass wir nicht auf ein schlimmes Ende, sondern auf eine Begegnung mit diesem unvorstellbaren Gott zugehen, auf ein Ereignis, das noch „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat“.

Wir brauchen eine Spiritualität, die uns einen „Sinn“ nicht nur vorspiegelt, sondern ihn auch zu erfahren hilft. Eine solche Spiritualität können wir uns aber nicht einfach schenken lassen! Seit Jesus sind schon viele den Weg des Vertrauens gegangen, und sie bestätigen, dass man sich ein solches Vertrauen erarbeiten und einüben kann. Im Umgang mit dem Leid ist es ungemein wichtig, dass wir uns nicht zu viel mit ihm beschäftigen. Sollten wir nämlich an das Schlimmste denken, was anderen zustößt oder uns selbst einmal in der Zukunft drohen könnte, das könnte uns nur in die Sackgassen der Empörung oder der Verzweiflung führen. Unsere Zukunft ist ja noch durchaus offen. Unserem Leben dienen vor allem Vertrauen und Einsatz, keineswegs aber Verzweiflung und Empörung. Wir sollen uns mit dem Leiden nur so weit beschäftigen, wie es zu seiner Überwindung dienen kann, wobei aber nicht nur die Beseitigung, sondern schon das schlichte Ertragen dieser Leiden eine Überwindung bedeutet. Eine Forderung nach Erklärung oder Rechtfertigung von Seiten Gottes ist nicht nur unnütz, sondern auch schädlich, weil sie uns davon ablenkt, was wir selber tun können und zu tun haben.

Die entscheidende Frage ist immer sehr konkret: „Wie gehe ich mit der Erfahrung  meines eigenen Leides um?“ Abstrakter gestellt heißt diese Frage: „Wie kann ich meine Endlichkeit annehmen?“ Manche Menschen können sich mit ihrem Leid so wenig abfinden, dass sie ihren quälenden Gedanken völlig ausgeliefert sind. Sie malen sich dann leicht eine Zukunft aus, in der es mit ihnen immer schlimmer weitergehen wird, was ihre Angst dann nur noch verstärkt. Aber es geht auch anders! Man kann sein Leben auch sachlicher, distanzierter betrachten und sagen: „Ich bin ja ein Mensch, und es ist gut so! Ich bin dankbar, dass ich bin. Ich werde mich auf all das konzentrieren, was in meiner eigenen Erfahrung bisher positiv war“. Er wird dann fühlen, dass diese dankbare Haltung begründet ist und ihm gut tut. Er weiß natürlich, dass sein Lebensweg, wie jeder Weg in dieser Welt, streckenweise sehr schwer werden kann, aber er verlässt sich auf seinen „Bruder“ Jesus, den nach einer tiefen Gotteserfahrung kein Leiden mehr erschüttern konnte. Er wird also auch darauf vertrauen, dass sein Weg zu einem guten Ende führt, zu einem unbeschreiblichen Licht und Glück, das schon viele Menschen erleben konnten. Es steht ja nicht nur fest, dass Menschen grenzenlos erscheinenden Leiden ausgeliefert sind, sondern auch, dass sie die größten Wunder erleben können.

Kann der Vorsehungsglaube heute bestehen?

Die Beobachtung einer Welt voll Leid und Unrecht spricht dagegen. Der vertrauende Glaube steht damit gegen vielfache Erfahrungen. Andererseits kann dieser Glaube sich auch selber auf Erfahrungen von Menschen berufen, die die Vorsehung oft als eine unerwartete göttliche Führung erlebt haben. Diese Situation ist paradox. Es sieht so aus, dass der Widerspruch für den Verstand unauflösbar bleibt, aber allem Anschein nach kann er in einer mystischen Schau auch plötzlich verschwinden, bzw. als völlig unerheblich in den Hintergrund treten. Aber es bleibt uns auch ohne mystische Erfahrung noch eine Chance, diesen Widerspruch wenigstens zu entgiften.

Wir möchten hier versuchen, einige Gedanken zu entwickeln, die – wenn auch nicht die Vorsehung als Tatsache erweisen – wenigstens die von Vielen erfahrene Wirksamkeit des Vorsehungsglaubens in ein zeitgemäßes Weltbild einfügen. Dieser Versuch muss natürlich scheitern, solange man hinter der Welt eine persönliche Gottheit voraussetzt, denn die beobachtete Wirklichkeit kann durch das Zufallsprinzip zweifellos einfacher (und deshalb logischer) erklärt werden als durch die Annahme von Gunsterweisen oder Grausamkeiten einer Gottheit, deren Charakter für uns Menschen damit unerträglich zwielichtig bliebe. Helfen könnte uns hier aber durchaus, wenn es uns gelingt, das herkömmliche Gottesbild zu „überholen“, und zwar im doppelten Sinn, indem wir es hinter uns lassen und andererseits versuchen, es vom Grund aus zu erneuern. Dieser Weg wird ermöglicht dadurch, dass wir die Transzendenz Gottes wirklich ernst nehmen.

Es scheint mir unmöglich, das Absolute als eine von der Welt getrennte Wirklichkeit zu denken, denn damit würden wir ihm bereits gewisse Grenzen zuschreiben, an denen „neben ihm“ etwas anderes anfängt. Der Gott, den wir mit unseren Gedanken nicht erreichen können, den wir gleichwohl uns irgendwie denken müssen, kann zwar nicht mit der Welt identisch sein, aber getrennt von dieser Welt kann er auch nicht sein. Wenn wir uns ihm unter dem Bild des Schöpfers nähern, werden wir sagen müssen, dass sein Wirken in der von ihm geschaffenen Welt sich nicht  vom Wirken seiner Geschöpfe trennen lassen kann. Und auch wenn in der Gestalt des Menschen in dieser sonst determinierten Welt ein freies Wesen erscheint, wirkt die Gottheit auch in dieser Freiheit mit. Halten wir also als begründete Annahme fest: Das Wirken Gottes geschieht ständig und überall, auch in uns und in allen Wesen um uns herum.

In diesem Zusammenhang erscheint die Idee der göttlichen Vorsehung dann überhaupt nicht mehr sonderbar, denn sie ist nicht mehr systemfremd. Die Vorsehung greift nicht von außen in das Schicksal eines Menschen ein, sondern sie spielt sich in den Handlungen dieses Menschen selbst ab. Die „göttliche“ Vorsehung wird dadurch zu einer persönlichen Angelegenheit eines Menschen, vor allem eines glaubenden Menschen. Sie spielt sich in ihm selbst (und durch ihn angeregt wohl auch in seiner menschlichen Umgebung) ab, durch sein Vertrauen bewirkt, das sogar die unscheinbarsten Handlungen zu seinen Gunsten koordinieren kann. Denkbar sind zwar auch günstige äußere Umstände oder Ereignisse, die als Zufälle auch ohne Zutun eines Menschen geschehen. Wenn die Vorsehung aber mehr sein soll als die zufällige Gunst solcher äußeren Umstände, muss der Mensch die Möglichkeit einer Beeinflussung seines Schicksals wenigstens ahnen und auch ergreifen, was in Anbetracht der komplizierten Wirkweise unseres Gehirn auch ohne Mitwirkung des Bewusstseins geschehen kann. Die Vorsehung wirkt also nicht von außen in das Leben hinein, sondern durch die natürlichen Möglichkeiten und Kräfte. Sie kann freilich nur wirken, wenn die Mitwirkung eines Menschen da ist, ob diese Mitwirkung nun bewusst und frei geschieht oder auch nicht. Das ist die Realität des „Berge versetzenden Glaubens“, von dem Jesus gesprochen hat (Mk 11,23). In diesem Sinn ist aber die transzendente Gottheit, wenn jemand sie als Person denkt, ein „ohnmächtiger Gott“, weil er – um über natürliche Zufälle hinaus helfen zu können – dazu die Mitwirkung der Menschen braucht.

Der gläubige Mensch vertraut sich seinem Gott an. Wenn er den Worten Jesu schlicht folgen kann, sieht er ihn als „himmlischen Vater“, der hinter dem undurchsichtigen Weltgetriebe alles nach seinem Plan lenkt. Wenn jemand einen solchen Glauben aber als Projektion bezeichnet, hat er nichts Negatives gesagt, denn ohne Projektionen ist kein menschliches Denken möglich. Aber auch ein „aufgeklärter“ Mensch kann sehr wohl auf die rettende Kraft des alles durchwaltenden „Geistes“ vertrauen, dessen Wirkungen er in sich und um sich herum tatsächlich erfahren kann. Auf ähnliche Weise wusste sich auch Dietrich Bonhoeffer „von guten Mächten wunderbar geborgen“. Diese uns leitenden und schützenden „guten Mächte“ wurzeln in den Tiefen unserer Seelen. Wir können uns auf sie verlassen, selbst wenn sie uns in eine Richtung führen, wo unser ängstliches Ich eine „göttliche Rettung“ gerade nicht vermuten würde.

Was uns Gutes zustößt, empfinden wir einerseits als Geschenk (traditionell formuliert als „Gnade“), andererseits trifft es uns gewöhnlich nicht unvorbereitet; es konnte bei uns ja deshalb „ankommen“, weil wir offen und frei waren, es anzunehmen. Die Vorsehung gibt es, aber wir haben sie nicht als Unbeteiligte von außen zu erwarten; wenn sie wirkt, wirkt sie in uns und niemals ohne unsere Mitwirkung. Wir sind deshalb gut beraten, jede Chance einer guten Vorsehung, die wir als Geschenk erwarten, auch bewusst zu bejahen und zu ergreifen. Den direkten Weg dazu nimmt ein vertrauensvolles Gebet. Aber – ob im Gebet oder in der einfachen und vertrauensvollen (Empfangs-)Bereitschaft – am „Erfolg der Vorsehung“ werden wir irgendwie auch selber beteiligt sein: wir standen dazu bereit, oder wir haben sie teilweise selber erwirkt bzw. wenigstens „erlitten“. Natur und Gnade, Erworbenes und Geschenktes, werden sich am Ende nicht mehr unterscheiden lassen.

Es muss hier noch etwas betont werden: Die Vorsehung zielt auf das „Heil“, also auf die Gesamtheit eines Lebens. Ihr „Anliegen“ ist nicht weniger, als dass unser Leben als Ganzes zu einem Erfolg wird, so dass wir einmal rückblickend sagen können: „Alles ist gut!“. Bei einer solchen letzten und endgültigen Beurteilung wird dann nicht mehr zu unterscheiden sein, was an diesem Erfolg dem Menschen und was Gott zuzuschreiben war: Es war ein Leben, das nun in seiner Ganzheit gegenwärtig und vollendet ist! Heute können wir auf diesen Augenblick nur hoffen und darauf bauen, dass unser Vertrauen bereits das erste und vielleicht entscheidende Kennzeichen eines „guten“, eines gelingenden Lebens ist.

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