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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Kirche  ›  Zukunftsperspektiven der kleinen Gemeinden heute Moderatoren: Weber
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Zukunftsperspektiven der kleinen Gemeinden heute  Dieses Thema wurde bisher 2.352 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
25 November 2006, 21:55 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 210
Liebe Freundinnen und Freunde hier in St. Christophorus!

Als erstes sage ich Ihnen allen herzlichen Glückwunsch zum 50jährigen Bestehen dieser Gemeinde. Diesen Glückwunsch sage ich insbesondere aber auch den Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die hier z. Zt. die pastorale Verantwortung haben. Für mich ist es eine Ehre und Freude zugleich, dass Sie mich eingeladen haben, in diesem Festgottesdienst zu predigen; bin ich doch Ende der 70er Jahre hier selber mal für drei Jahre Pastor gewesen – als Militärpfarrer. Da ich die Sorgen und Probleme insbesondere der kleinen Gemeinden kenne, möchte ich hier einige Gedanken vortragen über die Zukunftsperspektiven der kleinen Gemeinden heute.

„Zukunft heute“ und die kleinen Gemeinden

Die pastorale Strukturreform, die im Erzbistum Köln „Zukunft heute“ genannt wird, gibt den kleinen Gemeinden eigentlich kaum noch Perspektiven für die Zukunft. „Zukunft heute“ ist ein Sparprogramm, wie der Herr Kardinal in seinem Hirtenbrief Ende September selber gesagt hat. Gespart wird natürlich am liebsten beim Personal. Und da kommt der Priestermangel dem Sparzwang sehr gelegen. Alle anderen Dienste werden einfach als nachgeordnet qualifiziert, und so verschwinden mit der Priesterstelle zwangsläufig das Pfarrbüro und auch die Küster- und Organistenstelle. Die Kindergärten schrumpfen automatisch mit der Zahl der katholischen Kinder. Wenn eine Gemeinde das alles einfach so hin nimmt, ist sie bald nicht mehr da. Dann ist die Kirche verwaist, das Pfarrbüro geschlossen, der Kindergarten aufgelöst, und die Gemeinde verliert ihre Selbständigkeit. Wenn sie Pech hat, wird ihre Kirche verkauft.

Dass das alles hier in St. Christophorus so noch nicht eingetreten ist, das spricht für die Gemeinde, insbesondere für den unermüdlichen Einsatz der Ehrenamtlichen und des Pastoralteams Ihres Pfarrverbandes. Diesem Team gehört ja auch Paul Meisenberg an, der jetzt seit 27 Jahren der Seelsorger vor Ort ist und damit die Beständigkeit in Person. Das war und ist gut für die Gemeinde und hat sie bisher vor dem Untergang bewahrt.

„Zukunft heute“ hat keine Zukunft; denn es geht bei diesem Programm nur ums Einsparen von Geld, nicht aber um das Wohl der Gläubigen. Das aber muss das höchste Gebot bleiben. Darum gilt es zu überlegen: Was ist zu tun, um dem Kahlschlag der herkömmlichen Gemeindestrukturen zu begegnen?

Überlebensstrategien der kleinen Gemeinden

Es geht in der Tat ums Überleben. Dafür ist ganz wichtig, dass die kleinen Gemeinden ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln. St. Christophorus z.B. ist zwar eine kleine Gemeinde, aber mit ihren über 1000 Katholiken immerhin um 50% größer als die Kirchengemeinde der Hohen Domkirche in Köln. Und die Katholiken in Lichtscheid sind nicht weniger bedeutsam als die der Kölner Innenstadt. „Zukunft heute“ verfolgt nun das Ziel, kleinere Gemeinden aufzulösen (natürlich nicht die Domgemeinde) und in größeren Gemeinden zusammenzufassen. Das aber ist gar nicht so einfach. Denn eine Kirchengemeinde auflösen kann nur der eigene Kirchenvorstand selber durch einen entsprechenden Beschluss. Soll also eine Strukturveränderung stattfinden, muss verhandelt werden. Und wer verhandelt, darf auch mal nein sagen, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Schließlich geht es um einen fairen Interessenausgleich aller Beteiligten. Gehorsames Einschwenken aus Bequemlichkeit, Angst oder Resignation entspricht nicht dem christlichen Menschenbild.

Erfahrungsgemäß sind kleine Gemeinden viel lebendiger  und halten mehr zusammen als das in riesigen Kirchengemeinden der Fall ist. In meinen Augen wäre es völlig falsch und pastoral unverantwortlich, die lebendigen kleinen Gemeinden zu vernachlässigen oder gar aufzulösen, um sie dann mit anderen zusammen in einer Mammutgemeinde aufgehen zu lassen. Das wäre geistliches Potenzial verschleudert! St. Christophorus ist eine lebendige Gemeinde, und hier gehört immer ein Seelsorger hin. Man kann nicht auf der einen Seite den Priestermangel beklagen und auf der anderen Seite ihn zum Maßstab für „Zukunft heute“ machen. Wenn in Gemeinden, wo der Glaube lebendig ist, keine Eucharistie mehr gefeiert werden kann, dann dürfen Themen wie „Frau im Priester- oder Diakonenamt“ oder „Verheiratete am Altar“ kein Tabu mehr sein. Wenn man Gläubigen die Heimat nimmt, dann suchen sie sich eine neue – aber meist außerhalb der Kirche.

Zur Überlebensstrategie in schweren Zeiten gehört auch die Selbstorganisation. Was meine ich damit? Eine lebendige Gemeinde tut selbst etwas fürs Überleben. Und Sie, meine lieben Christen von St. Christophorus, sind längst dabei, indem Sie einen Ruhestandsgeistlichen für die nötigsten sakramentalen Dienste gewonnen haben, aber selber dafür einstehen, dass auch Gemeindeleben stattfindet. Es muss nicht der Pastor Jugendarbeit machen, das können andere auch (manchmal sogar besser). Es muss nicht jede Gemeindeaktivität vom Pastor ausgehen, das kann Gemeinde selber organisieren. Die Nachbarschaftshilfe unter jungen Familien muss so selbstverständlich sein, wie die Sorge um Alte und Kranke in der Gemeinde Aufgabe aller ist. Selbstorganisation ist hier das Stichwort, das eine sehr weite ökumenische Dimension annehmen kann. Denn viele Aufgaben – besonders im sozialen Bereich – kann man vor Ort mit den Betroffenen gemeinsam angehen. Das trägt auch zur Integration jener bei, die hier fremd waren oder noch fremd sind. Gesellschaftliche Integrationsarbeit ist nämlich zugleich Integration der Kirche in eine veränderte Gesellschaft.  

In der heutigen Situation ist außerdem Kreativität gefragt. Kreativität sucht und findet neue Wege, mahnt Veränderungen an, probiert aus und macht einfach mal. Der französische Schriftsteller Jean Cocteau hat einmal gesagt: „Es gibt keine schöpferische Tätigkeit ohne Ungehorsam“. Da ist was dran. Es ist in der Kirche wie in einer Familie, wo die Kinder erwachsen werden. Solange diese tun, was die Eltern sagen und wollen, gelten sie als wohlerzogen und brav. Aber irgendwann ist Schluss mit Bravsein. Dann überschreiten sie die elterlichen Vorgaben und verantworten eigene Normen und verfolgen eigene Ziele. Gute Eltern begreifen, dass das richtig, wichtig und notwendig ist. Mündig werden ist nicht selten Konflikt beladen. So ist es auch in der Kirche. Die meisten Laien haben den Status des unmündigen braven Kirchenkindes längst hinter sich gelassen – zum Leidwesen vieler Kleriker. Laien möchten Verantwortung übernehmen – vor allem die Frauen – auch in den Bereichen, die traditionell dem Klerus vorbehalten waren. Das führt notwendig zu Konflikten mit den bestehenden Autoritäten. Aber das muss so sein. Eine Kirche, die sich nicht verändert, stirbt.

Viele Reformen sind notwendig

Reformen sind notwendig, auch ein Sparprogramm, wie es „Zukunft heute“ darstellt. Das finanzielle Desaster, aus dem das Sparprogramm herausführen soll, ist schon seit langem absehbar. Denn das Schrumpfen der Gemeinden und damit der finanziellen Ressourcen liegt nicht nur im Kindermangel begründet, sondern auch in den dauerhaft hohen Kirchenaustrittszahlen. Diese wurden in der Vergangenheit bewusst für unbedeutend erklärt, dabei liegen sie im Erzbistum Köln immer noch jährlich knapp unter 10.000. Doch wer meint, die Kirche allein mit einem Sparprogramm  zukunftsfit machen zu können, irrt.

Die Kirche braucht viele Reformen. Sie muss sich ingesamt verändern. Sie braucht eine Entrümpelung der Theologie, eine neue Sprache der Verkündigung, eine neue Sicht des Menschen, der Frau insbesondere, der Sexualität, des Zusammenlebens der Menschen, der Bewertung der Gläubigen jenseits der katholischen Kirche, der Laien in der Kirche und deren Aufgaben und vieles mehr. –

Ich denke: Sie in St. Christophorus werden Ihren Weg gehen; Sie werden zeigen, welches Potenzial in einer kleinen Gemeinde steckt; Sie werden offen sein für Reformen, die die Kirche wirklich weiter bringen; Sie werden Ihre Dankbarkeit und Ihre Hoffnung in frohen Gottesdiensten feiern; Sie werden weiterhin und noch mehr eine selbstbewusste, aktive und einfallsreiche Gemeinde sein; und Sie werden es nicht zulassen, dass das Gotteshaus geschlossen wird, weil es bei Gottesdiensten aus den Nähten platzt. Sie sind auf dem richtigen Weg. Gehen Sie ihn weiter in der Kraft Gottes – gemäß dem Psalmwort (28,7): „Der Herr ist meine Kraft und mein Schild, mein Herz vertraut auf ihn.“

Amen.



Festpredigt zum 50jährigen Bestehen der Kirchengemeinde St. Christophorus in Wuppertal-Lichtscheid am 26.Nov. 2006
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