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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Ökumene  ›  Ökumene ganz weit Moderatoren: Weber
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Ökumene ganz weit  Dieses Thema wurde bisher 3.900 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
13 Mai 2007, 21:54 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 210
Liebe Christen!

Unter Ökumene versteht man im strengen Sinn die Bemühungen um Einheit zwischen den christlichen Konfessionen. Im weiteren Sinn kann man damit aber auch den Dialog zwischen den christlichen und den nichtchristlichen Religionen – insbesondere zwischen Christentum, Judentum und Islam – meinen. Wenn man den Begriff der Ökumene noch weiter spannt, dann schließt er auch den Dialog mit denen ein, die sich zu keiner Religion oder Konfession bekennen und trotzdem Sympathie zum Christentum und seinen Einrichtungen zeigen. Und da gibt es beim Internet-Spaziergang durch die deutschen Diözesen ein Bistum, das mit bemerkenswerter Offenheit dem nichtkatholischen, ja sogar dem nichtchristlichen Mitmenschen begegnet. Es ist das Bistum Erfurt, dem Bischof Joachim Wanke vorsteht. Ihm zur Seite steht Weihbischof Reinhard Hauke, der seinen großen Bruder Wanke seit Jahren zu innovativen Projekten inspiriert. Von einigen dieser Projekte im Bistum Erfurt möchte ich erzählen. Ich finde sie mutig, weltoffen und darum wirklich christlich.

1.     Beispiel:
Auch das Bistum Erfurt kann auf Dauer nicht mehr alle Kirchengebäude unterhalten. Während man in den meisten Diözesen gnadenlos Kirchen verkauft, umwidmet oder abreißt, zeigt das Bistum Erfurt eine interessante Alternative. Die 1117 gestiftete Allerheiligenkirche im Stadtzentrum soll künftig als Urnenbegräbnisstätte für Christen und Nichtchristen genutzt werden. Ein eigens in der Kirche errichtetes Kolumbarium – also eine Begräbnisstätte für Urnen – soll künftig sowohl Christen als auch Nichtchristen als würdige Grabstätte dienen. Damit greift das Bistum eine Veränderung in der Beerdigungskultur auf und gestaltet sie kreativ weiter. Zwischen den Stelen des Kolumbariums können sich die Trauernden und Angehörigen aufhalten und ihrer Verstorbenen gedenken. Im Südschiff der Kirche sollen Gottesdienste gefeiert werden – und das nicht nur an Begräbnistagen. Denn jeder Gottesdienst ist eine Feier des Lebens. Auch nichtkatholische Gottesdienste und sogar säkulare Trauerfeiern dürfen hier stattfinden. Sinnigerweise heißt diese Kirche Allerheiligenkirche.

In diesem Zusammenhang ist auch interessant das monatliche Totengedenken für Christen und Nichtchristen im Erfurter Dom. Weihbischof Reinhard Hauke hat dieses Totengedenken entwickelt. Er sagt: Wer trauert, braucht einen Ort für seine Trauer. Meist ist es das Grab. Was aber, wenn es kein Grab (mehr) gibt, das Grab nicht bekannt oder weit entfernt ist? Für solche Fälle ist das monatliche Totengedenken gedacht, damit die Angehörigen ihre Trauer besser bewältigen. Der Name des oder der Verstorbenen wird in ein kostbares Buch eingeschrieben. Die Schrift ist ein Synonym für den Menschen, steht für seine Identität. Beim Lesen des Namens wird der Mensch in den Gedanken lebendig. Nach der Feier des Totengedenkens, zu der eine Schriftlesung mit Predigt, Gebete und Lieder gehören, wird das Totenbuch in einer Lichterprozession zum Heiligen Grab des Domes getragen und dort sichtbar in einem Schrein aufbewahrt. Dort kann es ganzjährig aufgesucht werden.

2.     Beispiel:
Ein weiteres innovatives Projekt ist die Akademie im Kaufhaus. Das Katholische Forum, d. i. die Akademie des Bistums Erfurt, veranstaltete im Advent im Warenhaus Karstadt mit Bischof Joachim Wanke einen Abend über die Kultur des Schenkens – zwischen Kleiderständern und Warentischen. Das Thema referierte und meditierte der Bischof selber und eine Volkskundlerin. Musik und Umgebung des Kaufhauses trugen zu einem angeregten Gesprächsabend bei. Mit dem Warenhaus ist ein Ort gewählt, dem jede akademische Steifheit abgeht. Außerdem gibt es keine Hemmschwelle, die sich oft bei Veranstaltungshäusern mit dem Zusatz „katholisch“ aufbauen können.   Und in Warenhäusern sind Katholiken nie unter sich. Der erste Abend war ein Erfolg, der zu einer ganzen Veranstaltungsreihe geführt hat.

3.     Beispiel:
In der früheren DDR gab es die Jugendweihe, eine atheistische Veranstaltung. Es gibt sie auch heute noch, jedoch ohne das sozialistische Gelöbnis. Sie findet an der Lebenswende zum beginnenden Erwachsenenalter statt. Für junge Katholiken ist dieses Fest seit eh und je die katholische Firmung, für Protestanten die Konfirmation. Aber es gibt in Thüringen viele konfessionslose Jugendliche, die die alte Jugendweihe nicht mehr wollen und nach Alternativen Ausschau halten. Für diese Jugendlichen hat Weihbischof Reinhard Hauke, der damals noch Dompfarrer von Erfurt war, eine Feier der Lebenswende für Jugendliche ohne Konfession entwickelt. Selbstverständlich findet diese Feier im Erfurter Dom statt. Herausragendes Merkmal der Erfurter Lebenswendefeier ist der Eigenanteil der Jugendlichen. Sie sind maßgeblich gefordert, eigene Schwerpunkte in der Monate langen Vorbereitung und für die Feier selbst zu setzen. In der Vorbereitungszeit findet auch ein Sozialprojekt statt. Das Konzept begeistert immer mehr Jugendliche und Eltern und findet längst Nachahmung in anderen Städten Ostdeutschlands wie Berlin, Dessau, Dresden, Halle, Leipzig und Magdeburg.

4.     Beispiel:
Ein letztes Beispiel ökumenischer Aufgeschlossenheit in Erfurt. Ich meine den ökumenischen Segnungsgottesdienst am Valentinstag „für alle Menschen, die partnerschaftlich unterwegs sind“. Sie werden sagen: das gibt´s bei uns im Westen auch. Gewiss. Aber jedes Jahr gibt es bei uns Aufruhr und bischöfliche Verbote, wenn sich zu solchen Gottesdiensten auch schwule oder lesbische Paare eingeladen fühlen und dabei sein wollen. In Erfurt sind die nicht ausdrücklich eingeladen, aber eben auch nicht ausdrücklich ausgeladen. Schließlich will der Bischof von Erfurt nicht den Zorn seiner Brüder im Amt auf sich ziehen.

In Erfurt gibt es innovative Seelsorge mit ausgesprochen ökumenischem Akzent. Die Aufgeschlossenheit für die Sehnsüchte der Menschen und die Dialogbereitschaft mit allen Suchenden und Menschen guten Willens ist ziemlich einmalig. Ich meine, davon könnte manches Bistum hier im Westen etwas lernen – Trier übrigens auch.

Amen.
geloggt Offline
PrivatnachrichtPrivatnachricht
lehmundstroh
19 Mai 2007, 10:25 Einem Moderator melden Einem Moderator melden

0 - 25 Beiträge
Beiträge: 5
Hier die Internetadresse der "Innovativen Projekte" von Erfurt:

http://www.bistum-erfurt.de/143/index.php

Reinschauen lohnt sich sehr. Kaum zu glauben, dass das die Seiten eines katholischen Bistums sind...
Was mich besonders beeindruckt: die hier vorgestellten Projekte wirken in keiner Weise aufgesetzt ("jetzt müssen wir uns mal was Neues ausdenken"). Im Gegenteil: sie erscheinen bei der Lektüre vollkommen selbstverständlich und für eine lebendige christliche Gemeinschaft ganz normal. Toll.

lus
geloggt Offline
PrivatnachrichtPrivatnachricht Antwort: 1 - 1
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