STEPHAN KULLE: Papa Benedikt. Die Welt des deutschen Papstes. Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag, 2007. 320 S.
Kritik: Der bekannte Fernsehreporter ist auch beim Schreiben ganz in seinem Element. Als hätte er ein Drehbuch zu schreiben – führt er seine Gedanken wie eine Kamera, mit der er unsere Aufmerksamkeit nacheinander auf ganze Stadtteile, auf einzelne Gebäude, auf einzelne Zimmer mit ihrer Einrichtung, oder auf ein Interviewpartner und die Einzelheiten eines Gesprächs lenkt. Mit dem Vielfalt seiner Themen könnte er auch die Erwartungen einer an Illustrierte gewohnten Leserschaft erfüllen, denn er begnügt sich nicht mit der Darstellung der Persönlichkeit, der Rolle, der Tagesordnung und der Mitarbeiter des Oberhauptes der größten christlichen Kirche, sondern hält noch viele andere Dinge für mitteilungswert, von der Schweizergarde bis zur päpstlichen Küche und vom päpstlichen Fahrzeugpark bis zur päpstlichen Leibwäsche, und vergisst auch den üblichen Klatsch der „Vatikanisten“ nicht. Schwerpunkt des Buches ist natürlich die Vorstellung und Würdigung von Benedikt XVI., den er – anlässlich seines 80. Geburtstages – als einen bescheidenen und nüchternen Menschen beschreibt, der die vernünftige Handlungsweise zu den grundlegenden Äußerungen religiöser Haltung zählt, den man auch als Intellektuellen bezeichnen kann. Bei der Suche nach der wesentlichen Eigenschaft des neuen Pontifikats geht er von einer bestimmten und idealisierten Vorstellung der katholischen Kirche aus. Dieses Bild einer weltumfassenden und einheitlichen Kirche, die die einzige Wahrheit vertritt, bestimmt zugleich auch die Rolle eines Papstes: von ihm soll und darf man nichts anderes erwarten, als dass er die „Wahrheit“ des so beschriebenen Kirchenbildes vertritt und sichert. Diese Erwartung erfüllt – nach seiner Meinung – Papst Benedikt mit seiner Prinzipientreue und mit seinem Kampf gegen den Relativismus vollkommen. Der Reporter, der in seinem Buch den Zauber des vor Jahrhunderten entstandenen Papstpalastes zelebriert, vergisst allerdings die einfache Tatsache zu erwähnen, dass wir nicht mehr in der Welt der Renaissance-Päpste leben, wo es als selbstverständlich galt, dass die Herrscher aus Gottes Gnade herrschen und sich nicht um die Meinung ihrer Untertanen zu kümmern haben. Heute, wo das Ideal der Demokratie weltweit das Bewusstsein der Menschen verändert, wo die Entwicklung der Wissenschaften sogar die Grundlagen des gewohnten Weltbildes in Frage stellt, ist keineswegs unbestritten, dass das hier vertretene Ideal dem Vielfalt der real existierenden Kirche, der in ihr vorhandenen Gegensätze, und zugleich dem sozialen und geistigen Zustand der nicht-katholischen Welt gerecht werden kann. Heute müssten auf ein Kirchenoberhaupt außer der Konservierung einer sowieso schon vollkommenen Kirche noch andere wichtige Aufgaben warten, nämlich darüber nachzudenken, dass die „Welt“ der Kirche (Organisation und Lehre) ihren Kontakt mit der sich rasant beschleunigenden Entwicklung des gesamten menschlichen Denkens nicht verliert. Wenn die katholische Kirche alles als unantastbar und unveränderlich erklärt, was in ihr im Laufe der Geschichte berechtigter Weise entstanden ist und sich bewährt hat, könnte es für sie schwerwiegende Folgen haben.
Buchdaten: Autor(en): Kulle, Stephan Titel: Papa Benedikt. Die Welt des deutschen Papstes. Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag ISBN Nummer:
Buchempfehlung und –kritik von Peter Sardy
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