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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Buchempfehlungen    Bücher über Religion  ›  Kulle, Stephan: Warum wir wieder glauben wollen Moderatoren: Weber
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Kulle, Stephan: Warum wir wieder glauben wollen  Dieses Thema wurde bisher 2.189 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Sardy
23 Mai 2007, 19:32 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
26 - 50 Beiträge
Beiträge: 30
STEPHAN KULLE: Warum wir wieder glauben wollen. Scherz/S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2006, 256 S.


Kritik:
    Wer nach dem Lesen des Buchtitels hier die Gründe einer Wiedergeburt der Religion in unseren Tagen – die manche zu entdecken glauben – zu erfahren hofft, wird enttäuscht. Der Autor beschreibt kein soziologisch erfassbares Phänomen und forscht nicht nach dessen Ursachen, ja er verrät nicht einmal, wen er mit „wir“ im Auge hat, die „ wieder glauben wollen“. Man kann nur hoffen, dass dahinter mehr als ein modischer Trend in der Themenwahl der Medien-Macher ist. Sein Thema ist natürlich der „Glaube“, der – wie er betont – weder zu beweisen noch einfach weiterzugeben ist, aber sein Ziel ist doch, die Leser zu diesem Glauben zu ermuntern, bzw. ihren schwachen und gefährdeten Glauben zu sichern und zu stärken. Das Wort „Glauben“ kann allerdings Vieles bedeuten: etwa eine vernünftig begründete Überzeugung, einen letzten Kraftakt des Willens zur Überwindung von Zweifeln, oder das erlebte Glück der Geborgenheit in der Liebe Gottes. Was der Autor selber „Glauben“ nennt, bleibt leider durchweg im Dunkeln, denn einerseits gibt er großmütig zu, dass jeder Mensch einen gewissen Glauben hat, andererseits bezeichnet er häufig einfach die Treue zur „Kirche“ als Glauben, und der Zusammenhang verrät, dass er damit die katholische Kirche meint.
    Aber warum „wollen“ wir glauben, anstatt dass wir einfach glauben? Er beschreibt sehr überzeugend, wie stark unsere heutigen Lebensumstände den Glauben erschweren. Auch die großen Probleme, die einen christlichen Glauben immer schon gefährdet haben, bekommen bei ihm ihren Platz, so die unbeschreiblichen Leiden von Unschuldigen und die allgemein verbreitete menschliche Bosheit (oder Teufel), die offensichtlich gegen die Existenz eines „guten Gottes“ sprechen. Er weist sogar auf die Skandale der Kirche und auf die Widersprüche in der christlichen Glaubenslehre hin. Diese vielfachen Probleme haben für ihn aber eine einfache Lösung: es lohnt sich nicht, unsere Zeit auf solche Einwände zu verschwenden, denn wir haben die Zeit hinter uns, wo unsere aufgeklärten Vorfahren bis zur Erschöpfung gegen den Glauben gekämpft haben, ohne damit irgend etwas zu erreichen. Wir sollen statt dessen merken, dass es besser ist zu glauben als nicht zu glauben. Wir sollen einsehen, dass die Gläubigen glücklicher und für die Gesellschaft nützlicher sind als die Ungläubigen, und dass das Leben in einer gläubigen Gemeinschaft viel einfacher ist als ein Leben ohne Glauben. So lautet im Großen und Ganzen seine Argumentation, die kaum über die Ebene des Utilitarismus hinausgreift. Seine Schrift lässt uns seine Sehnsucht spüren nach der harmonischen Einheit einer Volkskirche, die nach den Erfahrungen der Geschichte eher eine Fata-Morgana als eine reale Möglichkeit ist.
    Dieses Buch von Stephan Kulle ist im Ganzen eine angenehme Lektüre mit vielen guten Gedanken, aber leider erreicht es nicht den tödlichen Ernst, mit dem uns der Glaube im Neuen Testament und auch in der heutigen Welt entgegentritt. Die Geschichte des Todes Jesu (und der Geburt des Christentums!) spielt sich nämlich zwischen zwei gegensätzlichen Polen des Glaubens ab, die beide authentisch sind: zwischen dem Glauben Jesu und dem Glauben des Hohenpriesters. Dort sehen wir einen Kampf zwischen diesen beiden Erscheinungsformen des Glaubens. In diesem Kampf ist der Sohn Gottes bereit, für seinen Glauben in den Tod zu gehen, während der Vertreter der Institution Gottes – im Interesse des „Glaubens“ eines Kollektivs – bereit ist, Mitmenschen in den Tod zu schicken. Der Glaube tritt also mit einem solchen Anspruch auf, dass er auch die Opferung des Lebens fordern kann, sowohl des eigenen Lebens wie des Lebens des „irrgläubigen“ Nächsten. Diese zwei Gesichter des Glaubens – der absolute Anspruch sowohl des individuellen Gewissens wie auch eines Kollektivs bzw. seines Vertreters – haben in jeder Zeit auch die Kirche begleitet und in ihr für Gegensätze, Streit und Leiden gesorgt. Der Autor, der als Kind und Jugendlicher in der DDR den Glauben in einem schützenden Raum seiner sehr lebendigen Kirchengemeinde erlebt hat, beschreibt zwar, wie ihn der Ernst des Glaubens damals in Gegensatz zur staatlichen Ordnung gebracht hat, geht aber – verständlicher Weise – nicht darauf ein, dass ein ernsthafter Glaube ohne Spannungen selbst in christlichen Gemeinschaften kaum denkbar ist.


Buchdaten:
Autor(en): Kulle, Stephan
Titel: Warum wir wieder glauben wollen.
Verlag: Fischer Verlag
ISBN Nummer:

Buchempfehlung und –kritik von Peter Sardy
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