Viele habe ich auf ihrem „letzten Weg“ begleitet. Ich habe sie, als ich aktiv im kirchlichen Dienst tätig war, beerdigt.
Ich habe viele Kinder beerdigt. Eltern, die um den Tod ihres Kindes trauerten, wollten es nicht für immer abgeben. Sie wollten es wiedersehen. Für einige ging dieser Wunsch in Erfüllung - zumindest in ihrer Vorstellung erschien ihnen ihr Kind in irgendeiner Form wieder. Sie zweifelten nicht daran, dass es sich um eine „reale Begegnung“ handelte. Es war ein großer Trost für sie, der ihre Trauer minderte.
Die Vorstellungen oder Visionen dieser Eltern haben mich damals gelehrt, dass durch sie Kummer gelindert und aufgelöst - ja sogar die Beziehung zum Kind nachträglich verbessert werden kann, wenn diese vorher gestört war. Ich habe einmal ein drogensüchtiges Mädchen beerdigt, das die Eltern vor die Tür gesetzt hatten. Nach seinem Tod begann es bei ihnen wieder „lebendig“ zu werden. Das Ferne wurde wieder nah.
Ich bedaure, dass Sterben und Tod weithin aus unserem Alltagsleben „ausgebürgert“ werden. Der Leichenwagen ist zur unscheinbaren grauen Limousine geworden, die im Stadtverkehr nicht auffällt. Wir betreiben eine Problem-Entsorgung: Behinderte ins Pflegeheim, Alte ins Altenheim, Kranke in die Klinik, Tote ins Bestattungsinstitut. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ - solche Menschen kehren so schnell nicht wieder in unseren Vorstellungen. Wir haben sie oft schon abgeschrieben, ehe sie wirklich tot sind. So haben sie erst recht wenig Chancen, zumindest in unseren Vorstellungen weiter zu leben.
Der Tod bzw. der Tote wird tot-geschwiegen. „Einfacher Abtrag“, sagen die Bestatter. „La Paloma“, „La Montanara“ habe ich an manchen Gräbern gehört. In den meisten Fällen wohl ein Abschied für immer. Hat man sich so schnell auseinander-gelebt?
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