Rosien, Peter: Mein Gott, mein Glück – Ansichten eines frommen Ketzers
Kritik:
Peter Rosien, Theologe und Journalist, erzählt in diesem Buch, wie er sich sein Leben lang mit Gott und der Kirche auseinandergesetzt hat. Jetzt ist Rosien im Ruhestand und lässt noch einmal Revue passieren, wie und wodurch sein Gottesbild geprägt worden ist. Obwohl er als Junge ein evangelisches Internat besucht hatte, hatte er immer schon seine Schwierigkeiten mit den in den Kirchen gelehrten Dogmen und ewigen Wahrheiten, die angeblich so wichtig sein sollten; vor allem konnte er den Christus-Glauben, wie er verkündet wurde, nicht nach vollziehen. Trotzdem studierte er nach dem Abitur evangelische Theologie, weil er´s wissen wollte. Viel Autobiografisches fließt in die Erzählung ein. Nach dem Examen begann er seine journalistische Laufbahn, die ihn später in die Redaktion von Publik-Forum brachte, wo er von 1998 bis zu seinem Ruhestand 2007 theologischer Chefredakteur war.
Die Sprache ist herzerfrischend und bringt vieles auf den Punkt, woran religiös suchende Menschen heute leiden. Rosien schildert, wie das einst feste Gebäude kirchlicher Dogmatik so langsam ins Bröckeln geriet: der Schöpfungsglaube, weil sich das naturwissenschaftlich geprägte Weltverständnis so rasant verändert hat, dass für einen Schöpfergott kein Platz mehr ist; die Morallehre, die von der Psychoanalyse durcheinander gebracht worden ist; die Erkenntnisse der kritischen Bibelforschung, die der früher ach so hoch geschätzten Bibelautorität schwer zugesetzt hat; damit verbunden ist die Erkenntnis, dass am Anfang ein Mensch, Jesus, stand und erst im Laufe der Zeit daraus jener entrückte Christus wurde, der so gar nicht mehr als Mensch begriffen werden kann. Von den Kirchen wird das Christentum weitergegeben wie ein Konstrukt aus Lehrwahrheiten, mit denen die meisten nichts anfangen können. Glaubenserfahrungen kommen in den Kirchen dagegen nicht vor.
Interessant, wie Rosien selbst seinen Weg zum verantwortbaren Glauben gefunden hat. Das war verbunden mit der Entdeckung der Schriften des Mystikers Meister Eckhart (1260 – 1328), der der persönlichen Glaubenserfahrung den Vorrang vor allen objektiven Wahrheiten gibt. „Im Innersten der Seele sind dir alle Dinge gegenwärtig“ (Eckhart). Für Rosien war bald klar: „Gott liebt mich bedingungslos. Er ist ansprechbares Gegenüber. Und er ist nur für mich da“ (S. 41). In dieser Überzeugung wird die Heilsnotwendigkeit jeder Kirche stark relativiert, weil der persönliche Draht zu Gott eben sehr stark ist. Und dieses Gottesbild macht glücklich (vgl. den Buchtitel: Mein Gott, mein Glück). Rosien hat sich sein Leben lang an der Kirche der Gottesfürchtigen (also derer, die in der Furcht vor Gott leben) gerieben. Sie wissen nicht, wie viel Liebe Gott verschenkt, und zwar an jeden und nicht nur an die, die sich seine Liebe erst verdienen zu müssen meinen.
Natürlich sagt Rosien auch, was sich ändern müsste, wenn die Kirche ihrer Aufgabe gerecht werden will. Aber er ist skeptisch, ob das je gelingen wird. „Die Kirche muss sich neu erfinden“ (S. 175). Im letzten Kapitel ist der Autor dennoch erstaunlich versöhnlich und zuversichtlich. „Und Gott? Der geht ganz sicher seine eigenen Wege. Wer sich dabei von ihm finden lässt, den nimmt er mit. In, mit oder ohne Kirche, manchmal sogar gegen sie. Und wer weiß, ob sich aus seinem Geist in Europa eines Tages nicht doch eine ganz neue und andere Glaubensorganisation entfalten wird?“ (S. 181). – Es ist ein Buch, das eben ein frommer Ketzer geschrieben hat. Ich habe es mit großem Interesse und sogar Wohlbehagen gelesen. Es ist ein Buch, das näher am Menschen ist als jede noch so hochtrabende Enzyklika. Der Neutestamentler Gerd Lüdemann hat zu dem Buch übrigens ein Geleitwort geschrieben.
Buchdaten:
Autor(en): Rosien, Peter Titel: Mein Gott, mein Glück – Ansichten eines frommen Ketzers Verlag: Verlagsgesellschaft mbH, 61410 Oberursel ISBN Nummer: 978-3-88095-164-8
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