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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Ostern  ›  Auferstehung als Gotteserfahrung Moderatoren: Weber
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Auferstehung als Gotteserfahrung  Dieses Thema wurde bisher 6.184 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
16 März 2008, 21:19 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 210
Liebe Christen!

Es ist üblich geworden, dass im Umkreis der großen christlichen Feste wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten Meinungsumfragen gemacht werden. Da fragt man junge Leute, warum denn wohl Christen dieses oder jenes Fest feiern. Die Antworten machen erschreckend klar, dass grade bei der nachwachsenden Generation die Inhalte christlicher Feste kaum noch bekannt sind – selbst nach zehn oder mehr Jahren Religionsunterricht. Manchmal antworten die Gefragten auch mit der Gegenfrage: was hab ich davon, wenn ich das weiß? Die Älteren wissen da schon eher, was die Feste beinhalten. Aber sind die Alten deshalb gläubiger als die Jungen, die sich nicht auskennen? Das bloße Wissen macht noch nicht den Glauben aus, nicht einmal das ausdrückliche Bekenntnis, dass man die Auferstehung Jesu für wahr halte. – Einen Computer kann man mit Glaubenswahrheiten füttern, so dass alles abrufbar ist, trotzdem spricht man nicht von einem gläubigen Computer. Glaube ist etwas Anderes.

Glaube als bloßes Bekenntnis

Eigentlich haben wir aber den Glauben so gelernt: als Bekenntnis von Wahrheiten, die die Kirche zu glauben lehrt. Und so haben wir Glaubensbekenntnisse auswendig gelernt, nach Aufforderung aufgesagt (in der Sonntagsmesse etwa), aber die Frage unterdrückt, was wir eigentlich davon haben. Die Kirche hat in ihrer Geschichte den Glauben in Formeln gebracht, sie hat ihn buchstäblich formalisiert und damit die Rechtgläubigkeit kontrollierbar gemacht. Das Bekenntnis im richtigen Wortlaut genügt, auch wenn dem Bekennenden das Verständnis oder Einverständnis nicht möglich ist. Das ist ein sehr unbefriedigender Glaube, der die Frage „was hab ich davon?“ geradezu herausfordert.

Jesu Glaube als Gotteserfahrung

Schauen wir auf Jesus. Er ist ja unser Vorbild, was das Glauben anbetrifft. Bei Jesus finden wir kein Glaubensbekenntnis, wohl aber die felsenfeste Überzeugung, dass das Reich Gottes nahe ist. Das nahe Reich Gottes meint die höchstpersönliche Anwesenheit Gottes im Alltag. Gott ist einfach da, mitten im Leben: nicht als Aufpasser, sondern als Begleiter, nicht als Richter, sondern als Retter, nicht als Strafender, sondern als unendlich Liebender. Persönlich erlebt und erfahren hat Jesus das z. B. bei der Taufe („du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ Mk 1,11) oder ähnlich auch bei der Verklärung (Mk 9, 2-. Gotteserfahrungen sind das, die Jesus so prägen, dass er am Ende Vater sagt zu seinem Gott. Kein Wunder, dass Jesus auch im Leiden und Sterben auf diesen Vater-Gott vertraut, dass er ihn rettet. Glaube ist für Jesus keine Lehre, die er für wahr hält, sondern gelebte und erlebte Beziehung zum himmlischen Vater. Es ist eine Beziehung in der Tiefe des Herzens. Und die hört nicht auf, als Jesus stirbt. Die Jünger nennen das – in Ermangelung einer treffenderes Bezeichnung – Auferweckung oder Auferstehung. Für Jesus selbst ist es eine Gotteserfahrung. Das ist ungeheuerlich: Sterben und Tod kann Gotteserfahrung sein!

Und unsere Gotteserfahrung?

Wir tun uns schwer mit Gotteserfahrungen, halten sie womöglich für Spinnereien. Die Kirche hat uns nicht gelehrt, Gott zu erfahren. Stattdessen produziert sie jede Menge Glaubenswahrheiten, und die Menschen fragen zu Recht: was bringt uns das?

Glaube kommt da richtig zum Tragen (ich meine das wortwörtlich: wird tragfähig), wo wir in eine lebendige Beziehung zu Gott treten. Das ist nicht einfach gleich zu setzen mit einer lebendigen Beziehung zur Kirche. Mit der Kirche macht man Kirchenerfahrungen, und die können sehr unterschiedlich sein. Neulich saß ich mit betagten Damen im Altenheim zusammen, und man erzählte von früher. Eine sagte, sie sei früher eine fromme Frau gewesen. In der Beichte, zu der sie regelmäßig ging, habe sie dem Beichtvater gesagt, dass sie aufgrund ihres Berufes nicht regelmäßig zur Kirche gehen könne. Der Pastor darauf: „Sie machen es sich aber leicht.“ Die Frau empört: „Ich habe keinen Streit mit unserem Herrgott“, stand auf und ging. Das war für sie eine Erfahrung mit der Kirche. Dabei hätte der Pastor diese Situation so leicht zu einer Gotteserfahrung werden lassen können, wenn er Verständnis gezeigt hätte. Denn Gott hat in seiner unendlichen Liebe unendliches Verständnis mit uns Menschen.

Das ist Gotteserfahrung: im Alltag sich angenommen wissen in seiner individuellen Lebenssituation, sich wertgeschätzt zu wissen von Gott, Freude und Sicherheit zu verspüren bei selbständigen Entscheidungen, optimistisch zu bleiben, auch wenn es viele Gründe gibt, es nicht zu sein. Und so kann auch das Schlimmste im Leben: das Sterben und der Tod zur Gotteserfahrung werden. Wie sollten wir es anders oder besser benennen als mit dem Wort Auferstehung. Tausendfach findet Auferstehung in unserem Leben statt, nicht erst am Ende unseres Lebens. In jedem Quäntchen Glück,  bei jedem schönen Fest, bei jeder Art von Lebensfreude erfahren wir Auferstehung (und das ist nicht schwer), aber auch das Leid, die Enttäuschung, ja sogar das Sterben kann für den Gläubigen zur Gotteserfahrung werden. Ich wünsche Ihnen, dass es Ihnen gelingen möge, die vielfältigen Lebenserfahrungen als Geschenk des unendlich liebenden Gottes wahrzunehmen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes und gesegnetes Osterfest.

Amen.

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