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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Pfingsten  ›  Sympathische Kirche (Pfingsten 2008) Moderatoren: Weber
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Sympathische Kirche (Pfingsten 2008)  Dieses Thema wurde bisher 2.191 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
17 Mai 2008, 22:06 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Pfingsten – so sagt man – ist der Geburtstag der Kirche. Eindrucksvoll hat Lukas in der Apostelgeschichte beschrieben, wie der heilige Geist den Jüngern damals Rückenwind gegeben hat auf dem Weg in eine gute Zukunft. Mit Freude und Begeisterung legten sie Zeugnis ab vor allen Menschen in Jerusalem von dem Grund ihrer Hoffnung und Zuversicht. In der Apostelgeschichte heißt es (2,47): „Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten.“ Muss das ein sympathischer Verein gewesen sein! – Heute erleben wir eher das Gegenteil: die Kirche verliert immer mehr an Sympathie, und die Menschen laufen ihr nicht mehr zu, sondern davon. Ich möchte am heutigen Pfingstfest von drei Aspekten sprechen, die der Kirche wieder Sympathien einbringen könnten, und zwar sowohl bei ihren Mitgliedern als auch bei Außenstehenden.

1.     Offenheit statt Abgrenzung
Die Kirche braucht wieder mehr Offenheit: Offenheit z. B. für Geschiedene und Wiederverheiratete, Offenheit für alternative Formen des Zusammenlebens, Offenheit für Frauen in kirchlichen Ämtern, Offenheit für Christen anderer Konfessionen, Offenheit für einen echten Dialog mit den Weltreligionen, Offenheit für Forschung und Wissenschaft – um nur ein paar Gebiete zu nennen. Denn die Kirche ist für die Menschen da, nicht umgekehrt. Sie muss den Wandel der Zeit zur Kenntnis nehmen (sie kann ihn ohnehin nicht aufhalten) und positiv mitgestalten. Eine Kirche, die ihre Identität dadurch zu bewahren sucht, dass sie sich permanent abgrenzt von der Moderne, Entwicklungen in der Gesellschaft und im Lifestyle nicht zur Kenntnis nimmt oder verteufelt, verbaut sich ihre Zukunft. Offenheit bedeutet ja nicht Identitätsverlust, im Gegenteil: Offenheit für die Menschen und die Zeit müsste zum Qualitätsmerkmal der Kirche werden. Das würde ihr neue Sympathien einbringen.

Die Jerusalemer Christen damals hatten keine Angst, etwas zu verlieren. Mit großer Offenheit traten sie den Weltmenschen entgegen und siehe da: die kamen in Scharen gelaufen und schlossen sich ihnen an.

2.     Anerkennung der Menschenrechte
Die Kirche würde mit Sicherheit auch dadurch an Sympathie gewinnen, wenn sie die Charta der Menschenrechte auch für sich selber als verbindlich anerkennen würde. Wir haben zur Zeit die paradoxe Situation, dass der Vatikan im politischen Alltag von totalitären Staaten lautstark die Einhaltung der Menschenrechte fordert, selber aber die Unterschrift unter das Dokument verweigert. Natürlich beinhalten die Menschenrechte mehr als nur das Recht auf freie Religionsausübung, worum es der Kirche vor allem geht.

Würde die Kirche selber die Menschenrechte voll akzeptieren und auch umsetzen, dann müsste sie auf viele Privilegien verzichten, die bei uns gegen geltendes Zivilrecht verstoßen: zum Beispiel im Arbeits- und Sozialrecht, zum Beispiel im Gleichstellungsrecht von Mann und Frau, im Antidiskriminierungsrecht, im Prozessrecht und vieles mehr. Es müssten zudem demokratische Strukturen eingeführt werden. Damit würde institutionelle Macht grundsätzlich kontrolliert und begrenzt. Sympathisch wäre daran für das Kirchenvolk, dass es in solchen Strukturen auf wichtige kirchenpolitische Richtungsentscheidungen Einfluss nehmen und  Kirche mitgestalten könnte. Schließlich ist nach dem Zeugnis der Bibel allen getauften gleichermaßen der heilige Geist gegeben und nicht nur den Inhabern höherer Ämter.

3.     Kirche der Armen
Ein letzter Gedanke: Kirche muss von ihrem Selbstverständnis her Kirche der Armen sein. Längst lebt die Mehrheit der Christen in Ländern der Dritten Welt; sie leben zumeist in ungerechten politischen und sozialen Strukturen und in bitterer Armut. Strukturelle Armut bedeutet zugleich Abhängigkeit, Ausbeutung, Erniedrigung. Aber nicht nur um die Kirchenmitglieder geht es, sondern generell um die Armen in dieser Welt. Denn die Armen sind die eigentliche Legitimation der Kirche. Da reicht nicht ein bisschen Wohltätigkeit der Reichen aus, da muss es um Befreiung aus der Knechtschaft ungerechter und unmenschlicher Strukturen gehen. Ist das Aufgabe der Kirche? Die südamerikanischen Befreiungstheologen beantworten diese Frage mit einem klaren „Ja“, während der Vatikan diese Option nicht teilt. Natürlich geht es nicht um Revolution und bewaffneten Kampf, wohl aber um die Solidarisierung mit den Armen und Rechtlosen und um die strukturelle Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitssituation.

Ist es nicht so, dass auch wir gegenwärtig in unseren Breiten erleben, wie die Reichen immer reicher werden und die Armen ärmer? Das müsste die Kirche aufhorchen lassen. Zeichen der Solidarität mit den Armen sucht man indes vergeblich.

Sympathisch wird die Kirche nicht durch Anzeigenkampagnen, sondern indem sie sich auf ihren Ursprung besinnt und den Geist Jesu Christi in dieser Zeit lebendig werden lässt. Das würde auch heute die Menschen beeindrucken und ihnen Lust auf Kirche machen.

Möge die Feier des Pfingstfestes dazu beitragen, dass es bald auch in der Kirche wieder Frühling wird. In diesem Sinne: frohe  und gesegnete Pfingsten!

Amen.
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