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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Weihnachten  ›  Wir und die Anderen an Weihnachten Moderatoren: Weber
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Wir und die Anderen an Weihnachten  Dieses Thema wurde bisher 2.204 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
03 Dezember 2008, 20:48 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 210
Liebe Christen!

Ich habe meine Weihnachtspredigt in diesem Jahr unter die Überschrift gestellt: „Wir und die Anderen an Weihnachten“. Wir – das sind wir hier, die wir in die Kirche gekommen sind, um gemeinsam die Christmette zu feiern. Wir werden von Jahr zu Jahr weniger. Und nicht einmal für uns ist die frühere Selbstverständlichkeit mehr zwingend, dass man an Weihnachten in die Kirche geht. Aber die Zahl derer, die Weihnachten ohne Kirche auskommen, - die meine ich mit den Anderen - wird von Jahr zu Jahr größer, oft in der eigenen Familie. Und vielleicht denkt der eine oder andere von uns im nächsten Jahr schon ähnlich, dass sich Kirche nicht mehr lohnt. Wir leben hautnah mit denen zusammen, die von kirchlicher Religiosität nichts mehr halten. Genauer gesagt: in uns selbst bohrt der Zweifel am Sinn kirchlicher Praxis ganz gewaltig. – Drei Gedanken:

1.     Selbstvergewisserung
Es wird wichtig sein, dass wir, die Praktizierenden, uns selber immer wieder vergewissern, warum wir noch zur Kirche gehen und warum das für uns wichtig ist. Wir müssen nämlich aufpassen, dass wir selber nicht den Boden unter den Füßen verlieren.

Also die Frage: Warum lohnt es sich, der Weihnachtsbotschaft wegen in die Kirche zu gehen? Es lohnt sich deshalb, weil die Erinnerung an die Liebe Gottes unser Leben verändern kann. Gott will ganz nahe bei den Menschen sein, und zwar bei den Armen und Unterdrückten und von mancherlei Leid Gezeichneten an erster Stelle. Er will mit ihnen gemeinsam nach Wegen der Befreiung suchen. Das Weihnachtsfest hat zum Inhalt die Solidarisierung Gottes mit den Menschen und hat das Ziel, dass die Menschen menschlicher werden im Umgang miteinander und in der Sorge füreinander. Der christliche Sinn des Lebens besteht ja nicht in erster Linie in der Vermehrung des eigenen Glücks, sondern in der Ermöglichung von Freiheit, Recht, Gerechtigkeit, Gesundheit und Lebensqualität für jene, die diese Güter entbehren. Das kann man nicht mit einer Spende erledigen, das sind Lebensprozesse, die immer wieder neu der Justierung bedürfen. Wie Jesus das vor 2000 Jahren gemacht hat, so ist es unsere Aufgabe als Kirche, das heute und auf unsere Zeit zugeschnitten ebenfalls zu tun. Darum sind Verkündigung und Gottesdienst so wichtig.

Allerdings habe ich meine Zweifel, ob der sonntägliche Gottesdienst, wie ich ihn in den verschiedensten Gemeinden erlebe, diese Justierung leistet. In den neuen pastoralen Großräumen ist allenfalls geistliche Fast-Food-Versorgung möglich. Und solche Nahrung hängt einem irgendwann zum Hals heraus.

2.     Verständnisbereitschaft
Wir haben keinen Grund, über die Menschen abfällig zu urteilen, die der Kirche und ihrem Gottesdienst den Rücken gekehrt haben. Jeder Mensch hat seine eigene Lebensgeschichte, und in diese Lebensgeschichte sind verwoben religiöse Erfahrungen, die sehr positiv gewesen sein können oder auch das Gegenteil. Oft haben auch überhaupt keine prägenden religiösen Erfahrungen stattgefunden. Eines ist sicher: Experten wollen – gerade bei jüngeren Menschen – ein neues Verlangen nach Spiritualität und Religion festgestellt haben. Aber offensichtlich vermag die Kirche diesen Trend nicht auffangen zu können, er geht an der Kirche vorbei.

Ich denke, es wäre wichtig, dass jeder von uns mit den Anderen über die Gründe spricht, warum im Einzelfall kein Draht zur Kirche mehr besteht. Dabei ist das Zuhören wichtiger als die Belehrung oder das Streitgespräch. Uns fehlt nämlich weithin die Wahrnehmung der Ablehnung. Wer vorschnell urteilt, die nicht Anwesenden wären zu faul oder zu bequem oder zu gottlos, macht es sich zu leicht. Denn ein engagiertes Christenleben ist ungeheuer aufregend und eigentlich für junge Menschen attraktiv. Wenn sich die Menschen aber in Scharen von der Kirche verabschieden (ob mit oder ohne offiziellen Austritt), dann könnte auch in und an der Kirche etwas nicht stimmen. Die kritische Besinnung darauf lässt allerdings noch auf sich warten.

3.     Zeugnis im Kleinen
Was können wir tun? Es ist dieselbe Frage, die im Lukasevangelium die Leute an Johannes den Täufer richten. Und der antwortet darauf: „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eins davon dem, der keins hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso.“ Es kamen auch Zöllner zu ihm, um sich taufen zu lassen, und fragten: „Meister, was sollen wir tun?“ Er sagte zu ihnen: „Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist!“ Auch Soldaten fragten ihn. Und er antwortete: „Misshandelt niemand, erpresst niemand, begnügt euch mit eurem Sold!“ (3,10-14). Es sind also die einfachen Dinge des Alltags, die Selbstverständlichkeiten, die Johannes der Täufer anspricht und die die Welt verändern.

Ähnlich möchte auch ich antworten auf die Frage „Was können wir tun?“ Zeugnis ablegen im Kleinen: in der Familie, im Freundeskreis oder auch in der Politik, in den Medien, selbst in der Kirche. Das ist wichtig: das unterscheidend Christliche zu tun – im Kleinen wie im Großen. Sie glauben gar nicht, wie spannend das sein kann, wenn man seinen eigenen Weg geht, den man mit guten Gründen für den christlichen erkannt hat, und sich nicht vom allgemeinen Trend der Gleichgültigkeit fremd bestimmen lässt. Machen Sie doch mal den Versuch, in Ihrem alltäglichen Umfeld die Würde jedes Menschen, der Ihnen begegnet, zu achten. Zur Würde des Menschen gehört es, dass wir seine eigene Meinung achten (auch wenn wir begründet eine andere haben); es gehört dazu die Achtung seiner Religion, (auch wenn wir eine andere für richtig halte); es gehört dazu die Achtung seiner Lebens- und Weltanschauung, seiner sexuellen Identität, auch seiner Armut und seines Leides. Die meisten christlichen Haltungen kosten kein Geld, aber Mut. Ohne Mut zur Toleranz und ohne Mut zum Widerspruch gegen Intoleranz geht Christentum nicht. Erst wenn wir diesen Mut aufbringen, machen wir Ernst mit der Menschwerdung des Menschen – gewissermaßen als Antwort auf die Menschwerdung Gottes, deren Beginn wir heute feiern. Wenn wir als Christen anders sind als die Anderen, werden wir bei den Anderen auch wieder positive Beachtung finden.

Weihnachten ist ein spannendes Fest mit weit reichenden Folgen, wenn man sich darauf einlässt. Wagen Sie das Abenteuer! – In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Lieben daheim ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.

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