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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Heilige  ›  Anrufung der Heiligen (Pilgeransprache in Driesch) Moderatoren: Weber
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Anrufung der Heiligen (Pilgeransprache in Driesch)  Dieses Thema wurde bisher 6.370 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
17 Mai 2009, 16:13 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 210
Wer pilgert begibt sich in die Heiligenverehrung. Da werden die Heiligen um ihre Fürbitte angerufen. Hier einige Beispiele:
Allerheiligenlitanei
Heilige Maria, Mutter Gottes – bitte für uns!
Heiliger Josef – bitte für uns!
Heiliger Petrus und heiliger Paulus – bittet für uns!
Heiliger Andreas – bitte für uns!

Oder die Schlussbitte des Ave Maria
Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder
jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.
(wird bei jedem Rosenkranz 53 mal gebetet)

Das klingt ein bisschen nach „Klüngel zum Himmel“. Man kennt sich, man hilft sich.

Oder in der Sprache der Wirtschaft oder des Handels ausgedrückt: die Heiligen sind wie Zwischenhändler. Sie verteilen die Gnade Gottes von oben je nach Anfrage von unten. Jedenfalls sind sie bei einer Gebetserhörung maßgeblich beteiligt.

Ich will Ihnen sagen, wo diese Vorstellung herkommt. Die Heiligen als Vermittlungsinstanz zu sehen, finden wir kirchengeschichtlich gesehen erst in der Spätantike, also nach 300, wo die Kirche ab Kaiser Konstantin (Konstantinische Wende) sich frei entfalten konnte. Man übernahm in der Theologie Vorstellungen aus dem staatlichen Gemeinwesen, um sich die Beziehung zu den Heiligen, vor allem zu den Martyrern, zu veranschaulichen. Da war das Patronatswesen eine geeignete Beziehungsstruktur, um sich in der Kirche die Beziehung zu den Heiligen vorzustellen. Wie der Patron für seine Klienten sorgen musste, so sorgten die Heiligen für ihre Verehrer. Die Übernahme solcher Vorstellungen aus dem weltlichen Bereich war erst möglich, als die römischen Kaiser die Christen nicht mehr verfolgten, sondern begünstigten. Kein Wunder also, wenn man im Neuen Testament diese Vorstellung nicht findet.

Ein älteres Beziehungsmuster, das wir schon in der Heiligen Schrift finden, stellt die Heiligen (mit Maria an der Spitze) nicht zwischen Gott und die Menschen, sondern neben die Menschen – und zwar neben solche Menschen, die in einer bestimmten Not stecken. Beispiel: Auf der Hochzeit zu Kana nimmt Maria als erste wahr, dass der Wein augegangen war, und sie macht sich zur Sprecherin der auf dem Trockenen sitzenden Hochzeitsgesellschaft („Sie haben keinen Wein mehr.“). Maria sorgt für die Unterversorgten.

In vorkonstantinischer Zeit, als die Christen verfolgt und getötet wurden, gab es viele Martyrer. Sie genossen große Verehrung; denn sie waren die Weggenossen derer gewesen, die gegenwärtig unter der Verfolgung litten. Der Mut der Martyrer, ihre Niederlagen, ihre Entbehrungen, ihre Standhaftigkeit ermutigten die Menschen zum aktiven Engagement für die Bedrängten und alle, denen durch wen auch immer Schmerzen und Leid zugefügt werden. Durch das Gedenken der Martyrer wurden diese zu Partnerinnen und Partnern der Hoffnung. „Das Gebet beschwört das Gedächtnis dieser Gemarterten als eine starke, bleibende Gegenwart herauf, die die Gemeinschaft dazu verpflichtet, ihrem Leben nachzueifern. Das Feuer eines jeden gemarterten Lebens entfacht in der nächsten Generation ein neues Feuer“ (Elizabeth A. Johnson, NY).

Dieses Beziehungsmodell zu den Heiligen finden wir heute in Zentralamerika. In El Salvador antworten die Christen auf die Anrufungen der Heiligen nicht „bitte für uns!“, sondern „presente“, d. h.: „sei hier bei uns!“ Oscar Romero – presente, und dann fügen sie die Namen jener ein, die gefoltert, ermordet, verschleppt oder ins Gefängnis gesteckt wurden, weil sie sich für Recht und Gerechtigkeit der Armen engagiert hatten. Und immer wieder die Aufforderung: presente: sei bei uns! Das macht Mut, gibt Zuversicht.

So gibt es zwei verschiedene Modelle der Heiligenanrufung. Auf einen kurzen Nenner gebracht: unsere westlich geprägte Heiligenverehrung setzt darauf, die Heiligen zu unserem Wohle zu aktivieren („bitte für uns!“); die Heiligenverehrung in Zentral- und Südamerika setzt darauf, dass der Beter selber aktiviert wird, indem er sich durch die geistige Präsenz der Heiligen mit ihrer Lebensleistung inspirieren und motivieren lässt (presente).

Vielleicht sind diese Gedanken zur Anrufung der Heiligen dem Einen oder der Anderen zu einem erweiterten Verständnis der Heiligenverehrung nütze.

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