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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Buchempfehlungen    Bücher über Religion  ›  Jörns, Klaus-Peter: Mehr Leben, bitte! Moderatoren: Weber
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Jörns, Klaus-Peter: Mehr Leben, bitte!  Dieses Thema wurde bisher 2.959 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
26 September 2009, 18:46 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 210
Kritik:

„Mehr Leben“ heißt für den Glauben: wieder beim Leben Jesu in die Schule zu gehen. Denn die Kurzformeln des Glaubens, worin nur der Anfang und der Tod Jesu eine Rolle spielen, unterschlagen, dass das ganze Leben Jesu mit und für uns gelebt wurde. „Mehr Leben hätte die Kirche in sich, wenn sie Jesu Leben wieder intensiver als ihre Mitte ansehen würde. Mehr Leben darum, weil so die Freiheit im Glauben, die Jesus gelebt und verkündet hat, auf die Gläubigen übergehen könnte. Der Grund dieser Freiheit ist seine Gottesbeziehung gewesen“ (S.21). Nicht nur die Gotteswahrnehmungen (ein Schlüsselbegriff bei Jörns!), die in der Bibel ihren Niederschlag gefunden haben, haben alleine Gültigkeit, sondern auch die späteren in der Geschichte der Kirche und selbstverständlich auch unsere in der heutigen Zeit. Noch weiter spannt Jörns den Bogen, wenn er sagt: „Die Zukunft wird zeigen, dass die Vielfalt der Zugänge zu Jesus zunehmen, je stärker sich die Kulturen vermischen“ (S. 22). Wichtigstes Kriterium wird immer sein, ob die Gotteswahrnehmungen jene unabdingbare Liebe Gottes im Blick haben wie Jesus in seiner Botschaft. – Das sind die Weichenstellungen im Vorwort.

Im ersten Kapitel geht es um die falschen Vorstellungen, Gott sei allmächtig. Mächtig ist er als Liebe, und zwar als bedingungslose Liebe. Das ist die Verkündigung Jesu. Damit holt er Gott aus den gewohnten Allmachtsrollen heraus, verletzt so die religiöse Weltordnung und geht dafür ans Kreuz. Gefährlich ist das Erwählungsdenken, weil mit der Erwählung immer auch verbunden ist die Verachtung der Nicht-Erwählten. Gott liebt alle Menschen ohne Ausnahme. Und ein drittes Problem ist die Gerechtigkeit Gottes angesichts der Leiden in der Welt. Die alte Vorstellung, dass Leiden oder Wohlergehen in einem inneren Zusammenhang zur Lebensführung stehen, passt nicht mehr zu einem Gottesbild, das von bedingungsloser Liebe geprägt ist. Gott ist ein Freund des Lebens und führt auch uns zur Ehrfurcht vor dem Leben. – Uralte Fragen, auf die Jesus neue Antworten gegeben hat.

Die nächsten Kapitel thematisieren die Feste des Kirchenjahres und zeigen, wie schöpferisch der Umgang mit den Festinhalten sein kann. – Weihnachten: die Rückkehr des außerweltlichen Gottes in die eine Wirklichkeit. Rückkehr meint hier nicht, dass Gott jemals außerweltlich gewesen wäre, sondern „dass Gott durch das Leben und die Gottesverkündigung Jesu endlich wieder als der wahrgenommen worden ist, der zu der Lebenswirklichkeit der Geschöpfe gehört“ (S. 41). Für Jörns selbstverständlich: „dass alle Religionen zur universalen Religionsgeschichte gehören, in der Wahrnehmungen des Einen Gottes auf unterschiedlichste Weise zur Sprache gebracht worden sind“ (S.40). Die Erläuterung dieser These lässt erkennen, dass Jörns ein hervorragender Religionswissenschaftler ist. – Jahreswechsel: Plädoyer für ein Schöpfungsfest. Die Idee ist faszinierend: Schöpfung als Selbstentfaltung Gottes in den Gestaltwerdungen des Lebens. „In der Schöpfung setzt Gott alle Lebensgestalten aus sich heraus und bleibt zu allen in Verbindung. Er wird mit geboren, wenn das Leben eine neue Gestalt annimmt, und stirbt mit, wenn diese Gestalten aufhören. Alles geschieht in einem großen Lebenszusammenhang, in dem das Leben sich durch das Werden und Vergehen von Lebensgestalten zugleich erhält und verändert und vor dem Vergreisen bewahrt. Das gilt für die Schöpfung am Anfang des Alls, aber es gilt auch für die Schöpfung am Anfang eines jeden individuellen Lebens, das seine – sterbliche – Gestalt annimmt und lebt“ (S. 71). Ein Schöpfungsfest, in dem all das zur Sprache kommt: das Werden und Vergehen (Tod allerdings nicht „als der Sünde Sold“ Rm 6,23), die Liebe und das Leid, die Lieblosigkeit und die Vergebung würde dem Altjahresabend mit dem Übergang zum neuen Jahr einen tiefen Sinn geben. – Epiphanias: Unterwegs sein mit Jesus. Es geht um Daseinsdeutung, um Deutung des eigenen Lebensweges in der Kraft des Geistes, um Sendung, um unsere Liebe, deren auch Gott selbst bedarf (Mt 25,31-45). – Palmsonntag: Jesus, der traurige Held zwischen Hosianna! und Kreuzige ihn! Die Karwoche beschreibt Jesu Einzug in unsere Sterblichkeit. „Nur, weil er sterblich gewesen ist wie wir, ist er wirklich Mensch geworden. Karfreitag ist deshalb die letzte Station der Inkarnation, der Fleischwerdung“ (S.97). – Gründonnerstag: Was hat Jesus mit unserer Abendmahlsliturgie zu tun? Hier wird ein sehr heikles Thema angesprochen. Kann sich das Abendmahl, wie es unter dem Einfluss so vieler Faktoren (jüdische Mahlfeiern, theologische Deutungen, unterschiedliche Praktiken) überliefert wird, auf Jesus berufen? Spiegelt es seinen Geist wieder? Die Entstehungsgeschichte macht deutlich, dass es sich um eine frühkirchliche Ausformung der Liturgie handelt, wo der Tod Jesu als Opfer- bzw. Sühnetod gedeutet wird. Davon hat Jesus selber allerdings nichts gewusst. Daher sieht Jörns die Mahlfeier, wie sie in der Didache beschrieben ist, als ursprünglicher an, nämlich als Feier der Lebensgaben Gottes ohne Opfervorstellung. – Karfreitag: Jesu Sterben: der letzte Akt der Menschwerdung Gottes. Der Sühnegedanke des Kreuzestodes Jesu ist für Jörns unerträglich, weil durch diese Deutung des Todes die Botschaft Jesu auf den Kopf gestellt wird. „Geschehenes Unrecht wird durch ein als Sühne interpretiertes unschuldiges Leiden Dritter weder ungeschehen noch gar wiedergutgemacht – zumal dann nicht, wenn die Sühne in der Hinrichtung eines zu Unrecht Beschuldigten besteht, wie die Sühnopfertheologie unterstellt“ (S. 135). Und: „Gott hat Jesu Sterben weder verursacht noch verhindert oder gar als Heilsgeschehen instrumentalisiert. Er hat es mit Jesus erlitten. Was Gott mit Jesu Tod zu tun hat, kommt erst auf der Rückseite des Sterbens, an Ostern, zur Sprache, als Jesus sich durch den Geist als lebendig erweist“ (S.137). Das hat natürlich Konsequenzen für eine Theologie, die in unsere Zeit passt wie für die Gestaltung der Liturgie (nicht nur in der Karwoche). – Ostern: Jesus ist gestorben und hat neue Gestalten angenommen. Jörns sagt: „Auferstehung ist ein bildhaftes Geschehen. Es markiert den Übergang von Menschen, die durch ihre begrenzte Lebenszeit und den unterschiedlichen Zeitpunkt ihrer Geburt ungleichzeitig zueinander sind, in die Gleichzeitigkeit mit Gott“ (S. 14. Da der Mensch leibliche Gestalt hat, ist er auch von Natur aus verweslich. Im Tod verwandelt er sich in einen geistigen Leib (1 Kor 15), wie Paulus erklärt. „Geist ist Energie und in der Lage, sich neue Gestalt zu suchen. Von ihr können wir nur so viel sagen, dass sie nicht mehr identisch ist mit der irdischen Leiblichkeit, in der wir sterben werden, und dass es trotzdem ein Kontinuum gibt“ (S. 152). Der Geist ist das Bleibende, und die Liebe verbindet uns mit Gott und untereinander über den Tod hinaus. – Pfingsten: Geist ist Wahrheit. Aber die Wahrheit ist um des Lebens willen uneindeutig. Dieses Kapitel eröffnet wahrhaft ökumenische Perspektiven – Ökumene in einem religionsübergreifenden Sinn. Hier ist der Religionswissenschaftler Jörns in seinem Element. Es ist eine Lust, diese Gedanken zu lesen: von den verschiedensten Offenbarungen als Prozessen der Gotteswahrnehmung, vom unaufhaltsamen Überschreiten einer jeden Religion ihrer alten kulturellen Grenzen, vom Entstehen neuer Religionen, wenn sich das Gottes-, Welt- und Selbstverständnis in der Kultur ändert. Einfach toll! – Trinitatis bzw. Dreifaltigkeit: Eine Dreiheit als Brücke zwischen den Religionen auf dem Weg in eine interreligiöse Ökumene. Es ist praktisch eine Fortsetzung des vorherigen Kapitels. Der interreligiöse Dialog macht deutlich, dass alle Religionen eine gemeinsame Herkunft haben, dass der fruchtbare Dialog manchmal schmerzliche Abschiede im eigenen Lager notwendig macht und zu heilsamen Aufbrüchen führt. – Ewigkeits- oder Totensonntag: Vom Tod als „der Sünde Sold“ zum Tod als Tor im Leben. Das ist das letzte Kapitel, gewissermaßen die Fortsetzung des Osterkapitels mit der Anwendung auf den individuellen Umgang mit Sterben, Tod und Auferstehung.

Ausgelassen habe ich in dieser Buchbesprechung die kürzeren Kapitel „Kreuzesmeditation“ und „Betet! Rogate!“ über das Unser-Vater. Angefügt ist noch ein Gespräch von Stefan Hügli mit Klaus-Peter Jörns, das ursprünglich als Radiosendung veröffentlicht wurde.

Jörns gehört zu den Kirchenmännern, die heute in der Theologie Neues zu sagen haben und es auch zu sagen wagen. Vieles klingt so plausibel, dass man es gleich umsetzen möchte – wären da nicht die restriktiven Kirchenautoritäten (zumindest in der katholischen Kirche), die sich den ultrakonservativen Gruppierungen (Piusbrüdern) anbiedern, die eine Theologie von vorgestern vertreten. Fazit: Wer für Visionen in der Theologie offen ist, sollte dieses Buch unbedingt lesen.


Buchdaten:
Autor(en): Jörns, Klaus-Peter
Titel: Mehr LEBEN bitte!
Verlag: Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh
ISBN Nr. 978-3-579-08048-2

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