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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Von der Wertschätzung aller in der Kirche Moderatoren: Weber
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Von der Wertschätzung aller in der Kirche  Dieses Thema wurde bisher 2.572 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
13 Januar 2013, 21:50 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Von der Wertschätzung aller in der Kirche (1 Kor, 12, 12-31a)

Liebe Christen!

Der heilige Paulus konnte, als er den ersten Korintherbrief schrieb, nicht ahnen, dass 2000 Jahre später seine Rede von den Gliedern am Leibe Christi Schmunzeln auslösen würde. Verbinden doch Ohren des 21. Jahrhunderts schnell die Rede von den Gliedern oder, wie es wörtlich heißt, vom Glied am Leibe Christi mit der Vorstellung von dem einen Glied, das auch den Herrn Jesus als Mann ausweist. Sprache ist eben etwas Lebendiges und ändert bisweilen den Fokus bestimmter Ausdrücke. Das soll mich aber nicht davon abhalten, das theologisch Bedeutsame dieses Textes herauszuarbeiten und – wie Sie es von mir gewöhnt sind – einige Folgerungen daraus für unsere heutige Kirchenpraxis zu ziehen.

Wenn man den Text etwas strukturiert, dann ist die erste und wichtigste Aussage gleich am Anfang, dass wir in der Taufe durch den Geist zu einem einzigen Leib zusammengefügt worden sind: zum geistigen Leib Christi. Interessanterweise werden mit dem Beginn der Christuszugehörigkeit, der Taufe also, alle geschichtlich gewordenen und religiös wie kulturell geprägten Eigenheiten bedeutungslos. Nicht gilt mehr Jude oder Grieche, Sklave oder Freier, weil alle mit dem einen Geist getränkt sind. Konsequenterweise hätte Paulus noch das Gegensatzpaar von Frauen und Männern einfügen sollen; doch wie wir wissen, hat Paulus es mit Frauen nicht so gehabt.

Dann zählt Paulus die Glieder des Leibes auf, um allen zu sagen: ihr seid Teil des Ganzen, ihr gehört dazu, ihr seid wichtig, und keiner hat das Recht euch zu verachten. „Im Gegenteil“, sagt er, „gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich.“ Welche Glieder mit „weniger edel“, „weniger anständig“ oder  „gering“ gemeint sind, kann man heute wohl nicht mehr in Erfahrung bringen. Paulus hatte da so seine eigene Vorstellung. Was für den Apostel wichtig war: Alle Glieder stehen miteinander in Verbindung, leiden miteinander, freuen sich miteinander und dürfen sich als Teil des geistigen Leibes Christi verstehen.

In einem dritten Schritt erfahren wir, dass das Bild vom Leib Christi und seinen Gliedern ein Symbol ist für die Kirche mit ihren unterschiedlichen Gaben und Begabungen. Kirche soll sein ein lebendiger Organismus, wo jeder seine Bedeutung hat und eines jeden Begabung und Können unbedingten Respekt und unbedingte Wertschätzung verdienen. Weil der Geist das Ganze durchflutet, darf es kein Gerangel untereinander geben, keine Herrschaft der Einen über die Anderen, auf gar keinen Fall Verachtung oder gar Amputation eines Gliedes zum Wohle des Ganzen. Wir würden so etwas heute kirchenrechtlich als Exkommunikation bezeichnen. Für Paulus undenkbar und unverzeihlich, wenn geistliche Macht gegen irgendjemanden missbraucht würde in diesem lebendigen Organismus, den wir Kirche nennen.

Was Paulus sich da ausgemalt hat, ist wirklich schön und ergreifend, nur entspricht die konkrete Kirche in keiner Weise diesem von ihm so enthusiastisch vorgestellten Modell. Hatte Paulus keine Ahnung oder sind wir auf dem Holzweg? Letzteres scheint mir der Fall zu sein.

•     Stellen Sie sich vor, wir würden in der Kirche (also auch kirchenrechtlich gesehen) die Laien richtig wertschätzen: ihre Begabung, ihre Meinung, ihre säkularen Fähigkeiten, meinetwegen auch ihr Bauchgefühl ernst nehmen, dann würden sie bei der nächsten Neubesetzung des Trierer Bischofsstuhls wählen dürfen; denn auch die Laien sind (nach Paulus) durchflutet vom Geist, und zwar nicht weniger als alle anderen. Das wäre gewiss eine Revolution, aber eben eine Revolution des Geistes
•     Stellen Sie sich vor, Frauen würden in der Kirche so geachtet und wert geschätzt, wie es ihnen zustände. Dann dürften sie geistliche Ämter ausüben, also nicht nur als Priesterinnen wirken, sondern auch im Bischofsamt und grundsätzlich auch im Amt des Papstes. Zwar könnten die sich nicht auf ein Wort des Apostels Paulus berufen (Sie wissen ja: Paulus hatte es nicht so mit den Frauen), wohl aber auf seinen Geist. Denn zur damaligen Zeit waren die Gegensätze: Juden und Griechen, Sklaven und Freie größer als der Gegensatz von Männern und Frauen. – Mehr noch: wenn Frauen (denen Paulus bekanntlich das Wort in der Kirche verboten hat) in der Kirche  mehr zu sagen hätten, dann würden sie den lieben Gott nicht nur im männlichen Design verehren, sondern ihn in weiblicher Symbolik den Frauen unserer Zeit und endlich auch den Männern nahe bringen. Aber der Widerstand der zölibatär männlichen Kirchenführung gegen feministische Theologie ist ernorm groß. Da haben Kirchenmänner offensichtlich eine feministische Allergie. Immerhin: wenn sich das durchsetzen würde, wäre das eine Revolution, aber eben eine Revolution des Geistes.
•     Noch eins möchte ich ansprechen. Stellen Sie sich vor, Männer oder Frauen, dürften, wenn sie einen geistlichen Beruf ergreifen möchten, frei wählen, ob sie zölibatär leben oder eben in einer Familie leben möchten. Das wäre doch eigentlich eine individuelle Selbstverständlichkeit. Ist es aber (noch) nicht. Aber wenn es dazu kommen sollte, wäre das eine Revolution, und zwar eine Revolution des Geistes.

Ich könnte Ihnen noch mehr, ja noch brisantere Beispiele nennen. Aber Sie wissen ja: ich beschränke mich immer auf drei Punkte. Und deshalb sage ich jetzt

Amen.

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