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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Lazarus, Franziskus und der liebe Gott Moderatoren: Weber
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Lazarus, Franziskus und der liebe Gott  Dieses Thema wurde bisher 1.554 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
19 Oktober 2013, 14:29 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Lazarus, Franziskus und der liebe Gott (Lk 16, 19-31)

Liebe Christen!

Meine Predigt hat eine Überschrift: Lazarus, Franziskus und der liebe Gott. Lazarus ist im heutigen Evangelium die Hauptperson. Er hat einen Namen, der reiche Mann hat keinen. Lazarus heißt übersetzt: Gott hilft. - Franziskus ist seit einem halben Jahr unser neuer Papst. Er hilft uns zur Zeit dabei, Lazarus neu zu entdecken. - Und was das alles mit dem lieben Gott zu tun hat, wird sich am Ende noch herausstellen.

Lazarus.
Zunächst ein paar Worte zu Lazarus. Das Wichtigste an ihm ist, dass es ihn gibt. Es gibt ihn nicht in einem Exemplar, sondern es gibt ihn milliardenfach in dieser Welt, und zu jeder Zeit der Geschichte der Menschheit hat es ihn immer millionen- oder milliardenfach gegeben. Übrigens scheint die biblische Erzählung vom armen Lazarus älter zu sein als die Bibel. Möglicherweise hat Lukas eine alte ägyptische Erzählung aufgegriffen, um das Anliegen Jesu drastisch ins Bild zu setzen. Lukas war nämlich ein begabter Geschichtenerzähler. Lazarus, der am Ende seines Lebens von Engeln in Abrahams Schoß getragen wird, hat eigentlich gar nichts aufzuweisen: weder gute Werke, noch einen starken Glauben, noch irgendwelche Verdienste. Er ist einfach der Typ Mensch, den wir als Verlierer bezeichnen – oder auch als Armen, als Leidenden, als Kranken, Hungernden oder wie auch immer. Er ist dafür da, dass sich an ihm die Frömmigkeit, Gläubigkeit oder das oft feierlich beschworene Sozialverhalten anderer Menschen als echt oder unecht oder gar als verlogen herausstellt. – Gut, einen hat Lazarus auf seiner Seite: den lieben Gott. Der lässt ihn abholen in den Himmel. Da geht es ihm am Ende gut – auf alle Fälle.

Franziskus.
Und nun möchte ich etwas sagen zu Franziskus, unserem neuen Papst. Der kommt ja aus einer Gegend, wo es besonders viele Lazarusse gibt. Das für uns Neue und Bedeutsame ist, dass er diese Lazarusse in seinem Land immer schon wahrgenommen hat, dass er sich von seiner Namensgebung als Papst Franziskus mit den Lazarussen verbunden fühlt und dass er uns die Augen dafür öffnet, dass es auch bei uns Lazarusse vor der Haustüre gibt. Ich sag Ihnen jetzt mal, was er den Oberen der amerikanischen Ordensfrauen im letzten Juni gesagt hat: „Habt Mut, schlagt neue Richtungen ein! Fürchtet euch nicht vor den Risiken, wenn ihr auf die Armen und die Menschen zugeht, die gerade beginnen, im Kontinent ihre Stimmen zu erheben. Reißt die Türen auf! Ihr werdet Fehler machen, ihr werdet anderen auf die Füße treten. Das passiert. Vielleicht wird sogar ein Brief der Glaubendkongregation bei euch eintreffen, in dem es heißt, dass ihr dies oder jenes gesagt hättet. Macht euch darüber keine Sorgen. Erklärt, was ihr meint erklären zu müssen, aber macht weiter. Macht die Türen auf. Tut dort etwas, wo der Schrei des Lebens zu hören ist. Mir ist eine Kirche lieber, die etwas falsch macht, weil sie überhaupt etwas tut, als eine Kirche, die krank wird, weil sie sich nur um sich selbst dreht.“ - Sind das nicht starke Worte?
Papst Franziskus hat im August den Chefredakteuren der internationalen Jesuitenzeitschriften ein Interview gegeben. Darin sagt er: „Ich sehe ganz klar, dass das, was die Kirche heute braucht, die Fähigkeit ist, die Wunden zu heilen und die Herzen der Menschen zu wärmen – Nähe und Verbundenheit. Ich sehe die Kirche wie ein Feldlazarett nach einer Schlacht. Man muss die Wunden heilen.“ – Ich füge frecherweise hinzu: vielleicht hat die Kirche selber in der Vergangenheit auf diesem Schlachtfeld Unheil angerichtet.
Der Papst hat den Schutz der Armen und Bedürftigen zum Kernthema seines Pontifikates gemacht. Für seine erste Reise als Papst wählte er die italienische Insel Lampedusa vor Sizilien, die Abertausende Flüchtlinge aus Nordafrika als Tor nach Europa ansteuern. Bei einem Besuch des Flüchtlingszentrums der Jesuiten in Rom forderte der Papst, die Ordensgemeinschaften sollten ihre leer stehenden Klöster „nicht in Hotels umwandeln und damit Geld verdienen“, sondern Flüchtlinge aufnehmen. „Die leer stehenden Klöster gehören nicht uns, sie sind für das Fleisch Christi da, und das sind die Flüchtlinge.“ – Man beachte: der Papst selektiert nicht nach Religion oder Konfession, sondern nach der Bedürftigkeit der Menschen. Außerdem appelliert er nicht an irgendwelche öffentlichen Hände oder Einrichtungen, sondern an Ordensbrüder und an alle Christen.

Der liebe Gott.
Und was hat der liebe Gott damit zu tun? Ihm bin ich von Herzen dankbar für diesen Papst. Durch ihn ist plötzlich die praktische Nächstenliebe wieder ins Zentrum kirchlich bedeutsamer Werte gerückt. Nicht mehr die Spitzfindigkeiten christlicher Moral, nicht mehr die Ästhetik liturgischer Spielchen, nicht einmal scharfsinnige Abgrenzungen in Glaubensfragen beherrschen den öffentlichen Diskurs in der Kirche, sondern die Heilung der Wunden – übrigens auch der seelischen Wunden, die aus einer rigorosen und herzlosen Moral der Kirche selber stammen. Aus jedem armen, leidenden, gequälten Menschen schaut uns das geschundene Antlitz Jesu an. Darum macht die Türen und Eure Herzen weit auf und lasst Euch von der Not der Menschen anrühren! Das ist gelebter Glaube.
Amen.
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