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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Ostern  ›  Durch Tod zum Leben (Osterpredigt 2014) Moderatoren: Weber
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Durch Tod zum Leben (Osterpredigt 2014)  Dieses Thema wurde bisher 2.808 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
25 April 2014, 16:59 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Liebe Christen!

Die Osterbotschaft – wenn sie mehr sein soll als eine einfache Nacherzählung der biblischen Auferstehungsgeschichte(n) – muss im Kontext unserer Zeit gesehen werden. Erst dann wird die Geschichte, werden die Geschichten zu einer aktuellen Botschaft für uns heute. Die Bewegung geht in der Ostergeschichte vom Tod zum Leben, also genau umgekehrt wie wir es gewöhnt sind. Wir erfahren im Leben, wie der Tod alles vernichtet, wie er das Leben beendet. Ostern aber geht es umgekehrt: das Leben überwindet den Tod. Das klingt wie ein Paradox. Die Botschaft von Ostern besteht also darin, unsere Welt, unsere Welterfahrungen mit österlichem Vorzeichen zu sehen. Das ist eine Weltdeutung, die ein ungeheures Potenzial an Hoffnung freisetzt. Ich will an einigen Beispielen erklären, wie das gemeint ist.

1.Beispiel:
Wir haben in den letzten Jahren die Spuren des Todes in der Kirche schmerzlich erfahren müssen. Ich erinnere an die ungezählten Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Priester und pädagogisches Personal in der Kirche. Dieses schändliche Verhalten wurde vertuscht, geleugnet und nicht geahndet – quer durch alle Diözesen und das weltweit. Es gab de facto einen Täterschutz, aber keinen Opferschutz. 2010 hat in Berlin der Jesuitenpater Klaus Mertes als Leiter des dortigen Canisiuskollegs die Aufklärung der Missbrauchsfälle ins Rollen gebracht, zuerst in seiner Einrichtung und in der Folge in allen Diözesen. Tausende Kirchenaustritte hat es damals gegeben. Die Kirche stand in der Öffentlichkeit mit dem Rücken zur Wand. – Dann folgte der Finanzskandal. Ich erinnere an Bischof Tebartz-van Elst und seinen Größenwahn, als er über 30 Millionen Euro an allen Kontrollgremien vorbei in den Bau seiner Residenz steckte. Wiederum traten Tausende Katholiken aus der Kirche aus. Und wiederum waren es mutige Priester, die den Skandal öffentlich machten, was dann zum Rücktritt des Bischofs führte. – Die Bischofskollegen, die anfangs mit dem Finger auf ihren Mitbruder zeigten, haben inzwischen Muffensausen. Sie fürchten, kirchenkritische Medien könnten auch ihr Finanzgebaren unter die Lupe nehmen. Und da gibt es sicher manches zu entdecken. Denn die anhaltend gute Konjunktur spült seit Jahren so viele Kirchensteuern in die bischöflichen Kassen wie nie zuvor. Trotzdem müssen die Gemeinden weiterhin auf Sparflamme kochen, während die Diözesen die Überschüsse in Großprojekten anlegen. Der Finanzskandal ist noch keineswegs ausgestanden. –
In der öffentlichen Meinung steht die katholische Kirche gegenwärtig ziemlich angeschlagen da. Und trotzdem kann diese Erfahrung heilsam sein. Denn Skandale, die vertuscht werden, richten die Kirche zugrunde. Nur eine radikale Aufarbeitung und ein grundlegender Gesinnungswandel geben Hoffnung auf eine neue Zukunft. Dabei ist es eigentlich egal, ob der Wandel von außen erzwungen oder von innen vorangetrieben wird. Nur der Wandel heilt; nur er kann zu einer neuen Ostererfahrung für die Kirche werden. Ich bin zuversichtlich, dass das mit unserem neuen Papst gelingt.

2. Beispiel
Frauen haben in der Kirche keine Chance, die Geschicke ihrer Kirche in Leitungsfunktionen mit zu verantworten. Diese Frauenphobie gibt es in keinem anderen Berufszweig mehr, nur in unserer Kirche. Wie eine späte Einsicht, aber immerhin wohltuend, hat daher die Ankündigung von Papst Franziskus geklungen, als er das weibliche Element in der Kirche zu stärken versprach. Was er im Einzelnen damit meinte, hat er noch nicht gesagt. Aber wenn er seinen Worten Taten folgen lässt, könnte auch dieser Wandel in der Kirche zu einer neuen Ostererfahrung führen.
Man darf gespannt sein auf die für Oktober in Rom angekündigte Bischofssynode. Da soll es um die Familie und um die Sexualmoral gehen. Zur Vorbereitung dieser Synode hatte Papst Franziskus im letzten Jahr kurzerhand eine Umfrageaktion gestartet. Die Katholiken waren eingeladen, anhand eines Fragebogens offen und ohne Namen zu sagen, was sie von der in der Kirche gepredigten Sexualmoral halten. Unser Papst fürchtet sich nicht vor der Realität. Allein die Tatsache, dass ein Papst weltweit eine Befragung durchführt, ist für mich schon eine Ostererfahrung. Franziskus will sicher nicht Moral demokratisieren, aber es interessiert ihn, wie weit gepredigte Normen dem Menschen zum Leben nützen und zum Gelingen des Lebens beitragen. Vielleicht trägt diese Bischofssynode auch dazu bei, über den Pflichtzölibat der Priester neu nachzudenken und ihn neu zu bewerten. Papst Franziskus ist kein Realitätsverweigerer.

3. Beispiel
Ich lenke Ihren Blick auf Ihr eigenes Leben. Ostererfahrungen sind da (und nur da) möglich, wo etwas am Boden liegt, wo etwas zu Bruch gegangen ist oder etwas abgestorben ist. Das kommt in jedem Leben vor. Habt keine Angst! Jeder Tod trägt die Chance eines neuen Anfangs, eines neuen Ostern in sich. Etwa: nach dem Verlust eines lieben Menschen, nach dem Scheitern einer Ehe, nach dem physischen Zusammenbruch durch Krankheit, Leid oder Gewalt. Freut Euch und lasst Ostern zu in Eurem eigenen Leben!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Angehörigen ein frohes und gesegnetes Osterfest.

Amen.

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