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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Amt  ›  Der gute Hirt: Leitbild für die Seelsorge Moderatoren: Weber
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Der gute Hirt: Leitbild für die Seelsorge  Dieses Thema wurde bisher 3.285 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
27 April 2014, 18:56 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 210
Liebe Christen!

Der Sonntag vom guten Hirten ruft mir ins Bewusstsein, dass ich so manche Vorstellung, die ich bisher fraglos für richtig hielt, revidieren muss. Das Bild von Jesus, dem guten Hirten, war immer schon ein Leitbild für den, der ein guter Seelsorger sein wollte. Wie der gute Hirt Jesus seine Schafe kennt und liebt und wie er sogar sein Leben für sie hingibt, so sollte ein guter Seelsorger sein. Und ganz selbstverständlich identifizierte man früher den Hirten mit dem geweihten Priester. Erst die Neuzeit, wo es nur noch wenige Priester gibt und die Wenigen kaum Zeit haben, das Notwendigste an Gottesdiensten und Sakramentenspendungen in Großgemeinden zu organisieren, macht deutlich, dass der geweihte Priester im Grunde kein Seelsorger mehr ist. Er ist Organisator, er liest jede Menge Messen, predigt am laufenden Band, tut Dinge mit Breitenwirkung, aber Zeit zur Seelsorge hat er nicht. Er will sie auch nicht haben und zieht sich aus der Schusslinie und ist nicht zu sprechen. Nur so kann er überleben. (Haben Sie schon mal versucht, einen Pfarrer außerhalb der Bürozeit zu sprechen? Das Büro schützt ihn vor unerwünschter Nähe zum Klienten.)

Was ist Seelsorge?
In einer Handreichung des „Zentrums Seelsorge und Beratung der Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau“ fand ich eine gute Definition: „Seelsorge ist eine der grundlegenden Funktionen der evangelischen Kirche. Sie ist wache Aufmerksamkeit für den anderen. Sie nimmt den Menschen in seiner Situation ernst und an und begleitet Menschen mit dem Ziel, dass sich neue Perspektiven eröffnen.“ Als ich diese Definition las, wurde mir klar, dass diese wahnsinnig interessante Aufgabe eigentlich keine Weihe erfordert, keine Ehelosigkeit voraussetzt, nicht nur von Männern wahrgenommen werden kann und überhaupt keines Amtes bedarf. Zu dieser befreienden Einsicht kommt man erst, wenn der Herrgott die Priester knapp werden lässt. Ehrlich gesagt: die Befähigung zu qualifizierter Seelsorge halte ich für viel wichtiger als die sogenannte Berufung zum Zölibat. Das Bild von Jesus, dem guten Hirten, meint ja grade die aufopfernde Nähe zum Nächsten und widerspricht jeder Abschottung wegen Überlastung. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Priester lieber den Stress vieler Gottesdienste und Amtshandlungen aushalten, weil sie sich Seelsorge im eigentlichen Sinn nicht zutrauen.

2. Neuere Entwicklungen
Fast lautlos hat sich in den letzten fünfzig Jahren unter dem Druck des wachsenden Priestermangels schon etwas geändert. Mit der Wiedereinführung des Diakonats wurde ein neues Berufsfeld eröffnet, das dann durch die Amtsinhaber mit Inhalten und sagen wir substanziell gestaltet wurde. Diakone werden von Pfarrern aber gelegentlich nur als Zuarbeiter gesehen. Sie sollen zuarbeiten, dass Gottesdienste gefüllt, auf den Empfang der Sakramente vorbereitet wird und dass der sakramentale Bereich floriert. Das ist wichtig, es ist aber nicht Seelsorge nach dem Leitbild des guten Hirten. Einzelseelsorge wird zwar in den Statuten meist am Ende auch erwähnt, kommt aber in der Praxis häufig zu kurz.
Es gibt mittlerweile auch Pastoralreferenten und Pastoralreferentinnen. Sie haben keine Weihe, wohl aber eine Beauftragung und sind studierte Leute. Sie dürfen sich Seelsorger bzw. Seelsorgerin nennen. Das Berufsbild ist in den Diözese keineswegs einheitlich. Auch dieser Berufszweig steht unter dem Erwartensdruck, dem Pastor möglichst viel Arbeit abzunehmen. Die Eigenständigkeit dieses Berufes wird in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabt und ist noch durchaus entwicklungsbedürftig.

Wie frei muss Seelsorge sein?
Ich verstehe unter Seelsorge vor allem Einzelseelsorge. Es sind nicht immer Gruppen, die Probleme haben, sondern oft, ja meist sind es Einzelmenschen, die mit ihrem Leben nicht klar kommen. Und für die muss Zeit da sein. Da müssen auch schon mal andere Dinge zurück stehen, um sich dem Einzelnen widmen zu können. Das ist etwas, was unverzichtbar ist.
Wenn ich am Anfang zitierte, „dass Seelsorge wache Aufmerksamkeit für andere ist, dass sie den Menschen in seiner Situation ernst- und annimmt und begleitet mit dem Ziel, dass sich neue Perspektiven eröffnen“, dann braucht ein solcher Seelsorger oder eine solche Seelsorgerin die Freiheit, individuelle Lebensperspektiven mit dem Klienten zu erarbeiten. Die verdienen auch dann Respekt und Anerkennung, wenn sie kirchlichen Vorstellungen gelegentlich widersprechen. Ein Seelsorger muss frei sein, weil er Anwalt des Menschen ist und nicht Anwalt des Gesetzes. Es gibt nicht die eine große Wahrheit, die für jeden und alle gilt, sondern immer nur individuelle Lösungen. –Wir sind oft besorgt, wir könnten die Barmherzigkeit Gottes zu sehr strapazieren. Das ist ein Fehler. Einer der Namen Gottes ist Barmherzigkeit.

Ich bin der Überzeugung, dass sich die Ämter in der Kirche auf Dauer verändern. Was früher alles fraglos in der Kompetenz des Priesters und Pfarrers gelegen hat, das wird sich ausfalten. Seelsorger ist der Priester heute schon längst nicht mehr allein.

Amen.

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