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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Man muss och günne künne (Mt 20, 1-6) Moderatoren: Weber
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Man muss och günne künne (Mt 20, 1-6)  Dieses Thema wurde bisher 1.774 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
05 Oktober 2014, 19:34 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 210
Liebe Christen!

Das Gleichnis provoziert. Es fordert eine plausible Antwort auf die Frage: Was ist gerechter Lohn? Offensichtlich teilen die Hörer des Gleichnisses das Unbehagen: was hier abläuft, ist im höchsten Maße ungerecht. Aber fangen wir vorne an.
Am Anfang steht die Einigung des Gutsbesitzers mit den Arbeitern auf einen Denar pro Tag. Die theologischen Kommentare zu dieser Stelle betonen einstimmig, dass ein Denar Lohn für einen Tag Arbeit in damaliger Zeit durchaus angemessen war. Von einem Denar konnte die ganze Familie wenigstens einen Tag leben. Also: kein Hungerlohn, eher eine Art Mindestlohn. Der Eindruck des Unrechts entsteht erst am Ende des Gleichnisses, als nämlich die Arbeiter, die wesentlich kürzer gearbeitet hatten, den gleichen Lohn erhalten wie die, die den ganzen Tag geschuftet hatten. Erst der Vergleich der Lohnzahlungen macht das Unrecht offenbar.
Was hier verhandelt wird, ist modernste Problematik. In der Regel wird der Lohn für eine Arbeit vor Arbeitsbeginn ausgehandelt. Wenn dieser Lohn angemessen ist und berücksichtigt, dass eine ganze Familie davon leben muss, und wenn der vereinbarte Lohn am Ende auch wirklich gezahlt wird, bezeichnen wir das Lohnverhältnis als gerecht. Anders sieht das aus, wenn ein Arbeiter, der von einer Leiharbeiterfirma ausgeliehen wird, für dieselbe Arbeit weniger bekommt als der fest Angestellte. Das empfindet wohl jeder als ungerecht. Dagegen könnte man einwenden, der Leiharbeiter könne froh sein, überhaupt Arbeit zu haben. Doch der Vergleich der Bezahlung hier und dort macht die Ungerechtigkeit offenbar. – Das ist übrigens auch ein globales Problem. Wenn heute die westliche Textil- und Modeindustrie in Bangladesch für Niedriglöhne arbeiten lassen, dann schätzen wir zwar den Billigpreis im Laden, doch übersehen wir geflissentlich die ungerechten Löhne, solange wir daraus unseren Vorteil ziehen. Tatsächlich höre ich in diesem Zusammenhang gelegentlich, die Bangladescher sollten froh sein, dass sie überhaupt Arbeit haben. Wenn der Westen dort keine Aufträge erteilte, hätten sie gar keine Arbeit. (Wer so redet, macht sich wohl kein Gewissen daraus, dass er aus einem ungerechten Lohnverhältnis irgendwo auf der Welt seinen persönlichen Vorteil zieht.)
Natürlich arbeiten alles Gesellschaften daran, mehr Gerechtigkeit im Zusammenleben der Menschen zu erreichen. Die Einen propagieren daher den Mindestlohn, die Anderen fordern eine Grundrente bzw. eine arbeitsunabhängige Grundversorgung, um die Mindestkosten des täglichen Lebens abzusichern. Doch in beiden Konzepten übersieht man, dass der Vergleich mit anderen Löhnen und Einkommen Unrechtsempfinden weckt. Ich bin nicht der Meinung, dass deshalb der Mindestlohn überflüssig wäre (im Gegenteil!!), doch die Lösung des Problems ist er nicht.
Die Problematik, die in diesem Gleichnis angesprochen wird, betrifft nicht nur unser Sozialsystem, sondern enthält auch unsere Gerechtigkeitsprobleme, die wir mit dem lieben Gott haben. „Warum“, so fragt mancher, „muss ich so leiden und anderen geht es gut? Warum verliere ich meinen Lebenspartner, während alle anderen (natürlich sind es nicht alle anderen!!) davon verschont bleiben? Warum bin ich vom Leben benachteiligt, während andere glücklich sind?“ Natürlich wissen wir, dass wir Gott gegenüber keine Ansprüche haben und nicht einklagen können. Wir können um etwas bitten, aber nicht erzwingen. Das Problem, das sich aus dem Vergleich mit anderen ergibt, bleibt ohne Lösung.
Der Gutsbesitzer sagt am Ende zu seinen Kritikern: „Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?“ Das scheint in der Tat die Kernfrage zu sein. Wenn ich nicht ertragen kann, wenn es anderen besser geht als mir, dann tötet der Neid die letzte Lebensfreude. Wohlgemerkt: jede Anstrengung, ein Bisschen mehr Gerechtigkeit ins Zusammenleben der Menschen zu bringen, ist positiv zu bewerten. Doch eine Gerechtigkeit, die keine Wünsche oder Probleme offen lässt, gibt es nicht. Am Ende muss man auch ertragen können, wenn man nicht an der Spitze der Erfolgreichen steht, wenn man nicht alles hat und sich alles leisten kann. Neid bringt s nicht weiter. Er ist ein schlechter Ratgeber fürs Leben. – Wie sagt der Kölsche? „Man muss och günne künne.

Amen.
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