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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Bibelstellen  ›  Von der Selbstliebe über die Nächstenliebe zur ... Moderatoren: Weber
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Von der Selbstliebe über die Nächstenliebe zur ...  Dieses Thema wurde bisher 2.208 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
17 Dezember 2014, 14:37 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Von der Selbstliebe über die Nächstenliebe zur Gottesliebe (Mt 22, 34-40)

Liebe Christen!

Im heutigen Evangelium geht es um das Grundgesetz christlichen Lebens: um das Gebot der Liebe. Jesus nennt in einem Dialog mit dem Gesetzeslehrer (der ihn auf die Probe stellen will) zuerst das Gebot, Gott zu lieben, und zwar aus ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen Gedanken. Dann stellt er als gleichwichtig neben das erste Gebot das Gebot der Nächstenliebe. Mit ihm verknüpft er die selbstverständliche Selbstliebe als Maßstab, was gelegentlich übersehen wird. Um das Liebesgebot zu erläutern, möchte ich mal den umgekehrten Weg gehen: zuerst über die Selbstliebe sprechen, da gibt es wohl am ehesten Übereinstimmung mit dem Hörer, dann über die Nächstenliebe, die sich an der Selbstliebe orientiert, und zuletzt über die Gottesliebe.

Selbstliebe
Selbstliebe meint nicht Egoismus pur, - obwohl ein bisschen Egoismus schon mit hineinspielt. Ich möchte das mit einer persönlichen Erfahrung erläutern. Vor vielen Jahren – ich war längst Pfarrer – fand ich mal eine Nikolauskarikatur. Da stand ein übermächtiger Nikolaus mit furchterregender Knecht-Ruprecht-Begleitung vor einem kleinen Jungen. Der sollte es offenbar mit der Angst zu tun bekommen. Aber das funktionierte wohl nicht. Stattdessen stemmte er seine Ärmchen in die Hüften und schrie dem Nikolaus entgegen: „Ich bereue nichts!“ So oft ich an diese Karikatur denke, habe ich meine Freude daran. Wer einem Kind Angst macht, damit es bereut, tut ihm nichts Gutes. Ein Kind ist, wie es ist, und möchte so sein dürfen und von anderen so akzeptiert werden. Weder haben Eltern das Recht, über die Angst zu erziehen, noch haben religiöse Figuren oder auch kirchliche Autoritäten das Recht, mittels Angst (vor Hölle, vor Exkommunikation oder welche Androhungen auch immer) Menschen in ihrer individuellen Lebensgestaltung zu beeinflussen. Die Selbstliebe und Selbstachtung hat eine ganz selbstverständliche biblische Akzeptanz. Vielleicht war es diese Nikolauskarikatur, die mich heute im Rückblick auf meine 75 Jahre sagen lässt: „Ich bereue nichts.“ Das wiederum heißt nicht, dass ich alles richtig gemacht habe, aber dazu bin ich ja auch weder verpflichtet noch fähig. Ich darf Fehler machen.

Nächstenliebe
Dieses Recht auf individuelle Entfaltung und gesellschaftliche Akzeptanz, die ich für mich in Anspruch nehme, soll ich auch jedem anderen zubilligen. Das ist Nächstenliebe. Natürlich schließt das ein, dass ich anderen auch ermögliche, ihr Leben so zu gestalten, wie ich es für mich als selbstverständlich ansehe. Sie kennen die sogenannte goldene Regel: „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Das ist die Negativformulierung des positiven „leben und leben lassen“. Es wundert mich zutiefst, dass die hoch- und höchstgebildeten Mitglieder der jüngst in Rom versammelten Bischofssynode nicht auf die Idee gekommen sind, eine mit dem Evangelium verträgliche Lösung in den Fragen der in zweiter Ehe verheirateten Geschiedenen und der homosexuellen Lebensgemeinschaften zu finden. Offensichtlich ist die große Mehrheit – mit der Mehrheit meine ich eben nicht alle – sehr lebensfremd. Von deren Toleranz möchte ich ganz schweigen.

Gottesliebe
Von der Nächstenliebe komme ich nun auf die Gottesliebe. Was ich für mich in Anspruch nehme, das billige ich auch Gott zu. Darum lasse ich Gott Gott sein. Ich kann nicht von ihm erwarten, dass er so ist und sich so verhält, wie ich ihn gerne für mich hätte. Es gibt immer wieder Menschen, die ihren Unglauben damit begründen, dass Gott dieses oder jenes nicht hätte zulassen dürfen, wenn es ihn denn gäbe. Wer hätte schon den Überblick über Gottes Ratschluss und über sein Wesen und seine Eigenarten. Wer möchte sich schon zutrauen, Gott zu belehren, wie seine Liebe zu uns Menschen und zur ganzen Schöpfung auszusehen hätte? Die entscheidende Liebe zu Gott besteht darin, ihn Gott sein zu lassen, auch wenn man persönlich seine Anwesenheit nicht spürt und seine Wege nicht begreift. Dass man trotzdem an der Vermutung festhält, dass er es gut mit uns meint, dass er uns liebt grade auch in Zeiten der Not und der Bedrängnis, das ist Glaube und Liebe zugleich. –Übrigens: Jesus stellt das Gebot der Nächstenliebe dem Gebot der Gottesliebe gleich; das heißt: der Ort der Gottesbegegnung ist der Nächste. Wie man ihm begegnet, so begegnet man Gott, wie man ihn liebt, so liebt man Gott. In der Liebe und Sorge um den Nächsten kann man dem Herrgott zeigen, wie man es selber gerne hätte. Und trotzdem nimmt er sich die Freiheit, eben Gott zu sein. Und das zu akzeptieren, heißt: Gott lieben.

Amen.

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