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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de    Religion und Spiritualität    Weihnachten  ›  Advent und das Warten Moderatoren: Weber
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Advent und das Warten  Dieses Thema wurde bisher 1.537 mal gelesen. Thema ausdrucken Thema ausdrucken
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Weber
11 Dezember 2016, 20:28 Einem Moderator melden Einem Moderator melden
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Beiträge: 210
Liebe Christen!

Der Advent ist in diesem Jahr so lang wie selten: volle vier Wochen, und heute ist Halbzeit. Advent ist die Zeit des Wartens. Als ich Kind war, habe ich mich immer auf das Ende dieser Wartezeit gefreut. Denn dann kommt Weihnachten, das Fest mit den vielen Geschenken für uns Kinder. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ich als Kind im Kindergartenalter eines Tages die Zeit des Abwartens auf meine Weise verkürzt habe. Ich legte mich auf den Bauch vor die verschlossene Wohnzimmertür. Die Unterkante der Tür schloss nicht blickdicht mit den welligen Holzdielen des Wohnzimmerbodens, sondern gab durch einen winzigen Spalt den Blick auf den Wohnzimmerboden frei. Und da stand er: der kleine rot angestrichene Zug aus Holz, mein großer Wunsch vom weihnachtlichen Wunschzettel. Mit überschwänglicher Freude stürmte ich zu meinen Eltern und erzählte, was ich entdeckt hatte. Aber leider teilten die meine Freude nicht. Sie schauten sich gegenseitig an und mussten sich eingestehen, dass da etwas falsch gelaufen war. – Solche Erlebnisse vergisst man nie.
Ob wir nun Kind sind oder erwachsen oder schon alt, wir alle kennen das Warten. Kinder können es manchmal nicht abwarten, bis Erwachsene ihre leichtfertig gegebenen Versprechen endlich einlösen; junge Frauen warten oft monate- oder jahrelang auf den ersehnten Heiratsantrag ihres Freundes; der Examenskandidat wartet mit Ungeduld auf den Bescheid, dass er sein Examen bestanden hat; und Oma wartet und wartet, dass endlich einer kommt und sich um sie kümmert. So warten wir eigentlich das ganze Leben lang immer auf irgendetwas: dass es eintreten möge oder eben nicht, dass irgendetwas gelinge oder dass irgendein glücklicher Zufall das Leben endlich in neue Bahnen bringe. Das Warten kommt an kein Ende.
In der Kirche gibt es im Ablauf des Jahres eigentlich zwei bewusste Wartezeiten: den Advent als Warten auf Weihnachten und die Fastenzeit als Warten auf Ostern. Es sieht so aus, als würden diese Wartezeiten Punkt um nach Ablauf einer bestimmten Anzahl von Tagen vorbei sein. Man braucht das Warten nur auszuhalten und dann ist das Erwartete plötzlich da mit allen Überraschungen, die so ein Fest bietet: von der Kulinarik angefangen über die Mode, die zur neuen Jahreszeit gehört bis hin zur Jubelliturgie in der Kirche, die alle Traurigkeit übertönt und wegschwemmt.
Doch so leicht und oberflächlich ist das mit dem Warten nicht. Wie viele Hoffnungen und Erwartungen gibt es bei den Menschen, die sich nie erfüllen? – ein ganzes Leben lang nicht. Die Festtagsfreude ist manchmal eine nur gespielte und keineswegs immer eine reale; man freut sich eben, weil das so erwartet wird und macht einfach eine gute Miene zum bösen Spiel – auch wenn es einem innerlich gar nicht zum Lachen oder Freuen zumute ist. Die Unerfüllbarkeit unserer zutiefst eingepflanzten Sehnsucht nach Glück, Geborgenheit und Lebensfülle wird uns in solchen Augenblicken bewusst. Es gibt nicht den Himmel auf Erden. Der Himmel bleibt eine Verheißung für die Ewigkeit. Und genau das haben die frühen Christen erfahren nach dem Tod Jesu, der ihnen als Freund und Bruder zur Seite gestanden hatte. Als Jesus weg war, fühlten sich die Jünger verwaist. Sie glaubten an die Wiederkunft Christi, und zwar in unmittelbarer Zukunft, aber diese Wiederkunft blieb aus – bis heute. Und so warten wir weiter – über die Jahre weg, über jede neue Advents- und Fastenzeit hinweg, bis der Tod uns jener Vollendung zuführt, die Gott selber ist. Erst damit kommt unser Warten ans Ziel.
Es gibt Menschen, die kennen das Warten sehr wohl, aber sie haben den Glauben an etwas, das nach dem Tod kommen könnte, längst aufgegeben. Sie begnügen sich mit den gesellschaftlich akzeptierten Wartezeiten, an deren Ende meist ein Fest, eine Prämie, ein Bonus oder sonst ein Kick steht (und wenn es nur ein Feuerwerk ist). Religion spielt da dann keine Rolle mehr. Religion hat nämlich grundsätzlich etwas über jene Zukunft zu sagen, die den Tod überschreitet („transzendiert“). Religion ist wie das Gedächtnis der Menschheit. Und diesem Gedächtnis mit Nicht-Achtung zu begegnen oder es einfach zu leugnen, ist, als würde man einen blinden Fleck als Segen bezeichnen. - Ich könnte das nicht.
Und was sagt unsere Religion über das Ende des Lebens, über unser Lebensziel und über das, was uns am Ende erwartet? Am Ende steht Gott, der uns erwartet. In ihm kommt all unser Sehnen, Hoffen, Lieben, Warten und Erwarten an ein Ende – wie Augustinus sagt: “Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir.“ Möge uns diese Unruhe nach Gott erhalten bleiben.

Amen.
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