Meine lieben Zuhörerinnen und Zuhörer
Gestern war Weihnachten. In der Kirche: Feststimmung, Freude über die Geburt eines besonderen Kindes, das wir Sohn Gottes nennen, Friedensgedanken. – Heute: am sogenannten 2. Weihnachtstag – rotes Messgewand, erinnert an Blut, an Tod. Todestag des Stephanus. Wie passt das zusammen?
Wer das verstehen will, sollte mal in aller Ruhe zwei Kapitel der Apostelgeschichte lesen: das sechste und das siebte.
Ich will in Kürze einmal die Entwicklung der Ereignisse, die zur Ermordung des Stephanus führen, darstellen.
Am Anfang gibt es folgendes Problem: in Jerusalem fühlen sich die Witwen der griechisch sprechenden Juden – das sind die Juden aus der Diaspora, meist konvertierte Proselyten – den Witwen der hebräisch sprechenden Juden – also den in Israel geborenen Juden gegenüber - benachteiligt, weil sie nicht so gut versorgt werden. Sie nörgeln und beschweren sich. Die Apostel lösen das Problem nicht selber; vielmehr lassen sie sieben Männer mit gutem Ruf auswählen, die sich um das Problem kümmern sollen. Unter diesen sieben Gewählten, die man später Diakone nennt, ist Stephanus. Stephanus ist besonders begabt: er ist theologisch versiert und weiß sich gut auszudrücken. Das führt innerhalb der Gruppe zu Streitigkeiten, die am Ende nicht mehr theologisch begründet, sondern durch Eifersucht und persönlichen Hass geschürt ausgetragen werden. Die Hebräer sind wütend, halten sich die Ohren zu, weil sie keine Argumente mehr hören wollen und schlagen einfach zu. Das nennt man Lynchjustiz. Bevor Stephanus vor der Stadt im Steinhagel tot zusammenbricht, sagt er noch: „Herr, rechne ihnen diese Tat nicht an!“ - Übrigens hat der Hebräer Saulus, der spätere Paulus, zwar nicht selbst mitgeprügelt (er musste auf die Kleider aufpassen), hat aber den Tod des Stephanus ausdrücklich gebilligt. –
So wurde Stephanus, der für die Werke der Nächstenliebe angetreten war, von seinen Glaubensbrüdern gesteinigt. Die Kirche hat in diesem Tod immer ein Zeugnis für Christus gesehen. Deshalb ist Stephanus ein Märtyrer.
Wie passt das zur Idylle von Weihnachten? An Stephanus sehen wir, dass Christ-sein in dieser Welt lebensgefährlich sein kann. Doch sind es in diesem Fall nicht die wilden Horden der Ungläubigen oder Andersgläubigen, die ihm nach dem Leben trachten, sondern die eigenen Glaubensbrüder. Und die Apostel stehen im Hintergrund und halten sich zurück. Eine Reaktion von ihnen wird nicht berichtet.
Die Kirche betet am Fest des hl. Stephanus weltweit für die verfolgten Christen.
Amen.
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