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Forum www.religion-und-spiritualitaet.de  /  Kirche  /  Kirchenschließungen - der neue Totentanz
Geschrieben von: Dickers, 09 April 2006, 18:49
Der Oberbürgermeister war stolz. In dieser Kirche wäre er gefirmt worden, zu ihr hätte er eine besondere Beziehung, ließ er wissen. Er zeigte sich gerührt, die Gemeinde im dicht gefüllten Gotteshaus auch. Sie jubelte, denn der Künstler Markus Lüpertz schenkte der Pfarrgemeinde seinen „Totentanz“. Niemand wird diese Kirche in naher Zukunft schließen.

Mit dem Schließungs-Tod kämpfen dagegen viele andere katholische und evangelische Kirchen. Zuerst wurden Bahnhof, Schule, Bank und Poststelle dicht gemacht - jetzt ist die Kirche an der Reihe. Es wird fusioniert, organisiert, demontiert. Gemeinden, die es betrifft, sind empört, verunsichert, ratlos. Ein Totentanz geht um.

Brauchen wir noch Kirchen? Für die großen Events sicher nicht. Für Kirchentage, Katholikentage reichen zur Not Marktplätze und grüne Wiesen. Des Kirchenvolkes wahrer Himmel braucht an solchen Tagen eher den „Arena auf Schalke-Tempel“ als enge Kirchenräume. Und die Hunderttausende, die zum Papst strömten, trafen sich auf dem Felde für den Hirten am „Hügel vor den Toren“ Kölns.

Brauchen wir die vielen Kirchen? Wir werden sie uns nicht mehr alle leisten können, wenn Kirchensteuereinnahmen weiter rückläufig sind und die Mitgliederzahlen in den kommenden Jahren weiter sinken werden.
Wir brauchen sie nicht alle, weil immer weniger Pfarrer und Priester darin Dienst tun. Die Katholische Kirche hält es ja „aus prinzipiellen Gründen nicht für zulässig, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen“ und meint, „dass der Ausschluss von Frauen vom Priesteramt in Übereinstimmung steht mit Gottes Plan für seine Kirche“ (Apostol. Schreiben vom 30.5.1994). Das hat zur Folge: Mit weniger Personal wird man die vielen Kirchen auf Dauer nicht halten können. „Mit Gottes Plan“ werden sie zu „nutzlosen Immobilien“. Einladung zum Totentanz.

Andererseits frage ich mich: Verstehen sich katholische Kirchen nicht als geweihte, heilige Räume? Kann bzw. darf man sie für jeden beliebigen Zweck umfunktionieren?
Kann man nicht nachvollziehen, dass jemand, der dort getauft wurde, zur Kommunion ging, geheiratet und gebetet hat, nicht plötzlich Pizza oder Hamburger darin essen möchte? Reicht eine reine Kosten-Nutzen-Rechnung für leer stehende Kirchenräume aus, um leere Kirchenkassen zu sanieren?
Weiß man denn, ob Kirchen für immer leer bleiben werden? Kann nicht Not wieder beten lehren?
Als ich kürzlich in Budapest war, erfuhr ich den besonderen Service der dortigen Basilika-Gemeinde. Sechs Sonntags-Gottesdienste wurden angeboten, wenn auch nicht immer alle Bänke besetzt waren. Gelegenheit macht Liebe.

Natürlich wird man sich von Besitzständen trennen müssen. Jede Familie erfährt das ja. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, dann stehen die Kinderzimmer leer. Auch aus dem Haus der Kirche sind viele „Kinder“ ausgezogen - aus welchen Gründen auch immer.
Man wird Etliches an Kirchensubstanz, Bausubstanz aufgeben müssen, um Anderes erhalten zu können. Mir steht es nicht zu, darüber zu befinden. Dennoch könnte ich mich von manchen vor- und postmodernen Beton-Tempeln und Seelen-Garagen mit ihrem unvergleichlichen Charme einer Wartesaal-Atmosphäre leichten Herzens verabschieden. „Prüfet alles, das Gute behaltet“, lese ich in der Bibel.

Ich habe den Eindruck, dass sich zumindest die Katholische Kirche z. Z. in vieler Hinsicht zu Tode organisiert. Der Pfarrer der anfangs erwähnten „Totentanz“- Gemeinde braucht sich allerdings nicht zu sorgen. Seine mit Elan betriebene Nähe zur Kunst und zum Heiligen Vater werden dazu beitragen, dass seine Herde so schnell nicht ohne Hirt und seine Kirche nicht in Bälde zum China-Restaurant umfunktioniert werden wird. Wer mit auf dem Kölner Hügel stand, dessen Kirche wird so schnell nicht wanken.

Kirchen müssen nicht deswegen geschlossen werden, weil ihnen der elektronische Opferstock fehlt. Kirchen werden aber zunehmend dann überflüssig werden, wenn der mit Vehemenz angekurbelte Selig- und Heiligsprechungsprozess des verstorbenen Papstes wichtiger wird als die Sorge darum, wie man den innerkirchlichen Totentanz verhindern kann.
Dabei geht es nicht nur um die Bauwerke, sondern um die Menschen, die darin Hoffnung oder Trost suchen.
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