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Geschrieben von: Weber, 09 August 2007, 20:49
Deutsche Kirche im Sparfieber –
eine Momentaufnahme

Die 27 deutschen Diözesen plagt im Augenblick eine gemeinsame Krankheit: das Sparfieber. Das Geld reicht vorne und hinten nicht mehr, und nun wird gespart: Personal wird entlassen, kirchliche Immobilien (Pfarrhäuser, Pfarrheime etc) werden verhökert, sogar Kirchen werden verkauft oder abgerissen. Gemeinden werden zusammengelegt, und Seelsorge wird auf Sparflamme gemacht. Da kommt der notorische Priestermangel ganz gelegen. Er wird geradezu zum Maßstab für alle anderen Dienst gemacht, die man im Erzbistum Köln bezeichnenderweise „Folgedienste“ nennt.

Woher der plötzliche Geldmangel? In den Jahren der Konjunkturschwäche sank das Steueraufkommen des Staates und damit auch die Einnahme der Kirchensteuer. Doch diese Schlappe ist längst überwunden. Zur Zeit sind die Kirchenkassen wieder voll wie ja auch die Kasse des Finanzministers. Der konjunkturelle Aufschwung macht´s möglich. Natürlich spricht man jetzt nicht über die vollen Kassen, wie man vorher über die leeren Kassen gesprochen hat. Was man in Kirchenkreisen nie laut beklagt hat, war der Finanzschwund, der durch die Millionen Kirchenaustritte bedingt war. Man sprach deshalb nicht laut darüber, weil der Kirchenaustritt möglicherweise Schule gemacht hätte, und außerdem wollte man nicht öffentlich zugeben, dass der Entzug des Geldes den kirchlichen Betrieb empfindlich trifft.

Trotz des konjunkturellen Aufschwungs wird bei Kirchens weiter gespart. Denn nun stellt man fest, dass die Gemeinden so rapide aussterben, dass die Kirche mit Kosten verursachenden Gebäuden und Immobilien (einschließlich Kirchen) absolut überversorgt ist. Nicht nur die Mitgliederzahlen der Gemeinden sind stark rückläufig, vor allem schrumpfen die Zahlen der Gottesdienstbesucher, so dass sich der Aufwand der Sonntagsmesse kostenmäßig nicht mehr für jede Kirche lohnt. Also werden „unwirtschaftliche“ Gemeinden still gelegt. Die Kirchenverantwortlichen machen für den Mitgliederschwund vor allem den demografischen Faktor – also den Geburtenrückgang – verantwortlich. Über den Mitgliederschwund durch jahrelang hohe Kirchenaustrittszahlen redet man wie gesagt nicht öffentlich. Doch ist natürlich klar, dass Ausgetretene ihre Kinder auch nicht mehr der Kirche zuführen, also nicht mehr taufen lassen. Und die Altersstruktur der Priester ist so, dass in zehn Jahren zwei Drittel der Priester über 50 Jahre alt ist. Priesternachwuchs gibt es hingegen kaum.

Die Devise in der deutschen Kirche lautet nun: wir müssen mit dem vorhandenen Geld auskommen, wir müssen mit den vorhandenen Priestern auskommen, und Aufgabe wird es sein, die Priester und die Geldmittel so einzusetzen, dass eine flächendeckende Seelsorge gewährleistet bleibt. Die rigorose Umsetzung der diözesanen Sparpläne gibt indes immer noch genügend Spielraum für individuelle erz- / bischöfliche Kunst- und Medienhobbys. Die meisten Diözesen verbinden mit den neu angelegten Großraumstrukturen die Hoffnung, dass sich damit ein innerer Aufschwung verbindet. Man kann das im Internet bei den einzelnen Diözesen nachlesen. Manch eine Formulierung klingt so rührend, dass man zweifeln muss, ob der Verfasser selber daran glaubt. Auf jeden Fall werden die Namen der Bischöfe unserer Tage für immer mit der Zerschlagung der in 2000 Jahren gewachsenen Gemeindestrukturen verbunden sein.

Es gibt begründete Zweifel, ob die derzeitige Sparwut die Kirche in eine bessere Zukunft führt. Jede Bank weiß heute, dass Kundennähe ein entscheidender Faktor für Geschäftserfolg ist. Die Kirche glaubt, das Prinzip umkehren zu können. Jeder Supermarkt qualifiziert sein Verkaufspersonal für einen erfolgreichen Umgang mit den Kunden. Die Kirche dagegen macht inzwischen große Abstriche bei der geistigen Ausrüstung ihrer Kleriker (u. a. Verzicht auf Abitur), weil ihr die Bereitschaft zum Zölibat und die männliche Variante Mensch fürs Priester- und Diakonenamt wichtiger ist als eine gediegene fachliche Qualifikation. Ein gut geführter Industriebetrieb legt Wert darauf, seinen Mitarbeitern möglichst viel Eigenverantwortung zu übertragen. Der Priester und der Diakon haben dagegen blind zu gehorchen. Dann gelten sie als gut.

Schlimmer noch als die Sparwut sind jedoch die Denkverbote, die sich die Führungskräfte der deutschen Kirche selber auferlegen. Mit dem Argument, dass entscheidende Fragen (z. B. Zulassung zum Priesteramt, Liturgie, Glaubensfragen etc) nur in Rom entschieden werden könnten, dispensieren sie sich vom eigenen Nachdenken über und Engagement für Veränderung. Und so spart sich die Kirche zu Tode: keine finanziellen Investitionen, keine innovativen Ideen für eine Kirche und Seelsorge der Zukunft. Es gibt nicht einmal einen ernsthaften Versuch, entlaufene Kirchenmitglieder zurück zu gewinnen. Und die Präsenz der Kirche an Orten der Jugend wird immer seltener. – Die angebliche Armut der Kirche ist nicht nur eine finanzielle.
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